Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Anspruchs auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nach Herabsetzung der Arbeitszeit

 

Orientierungssatz

1. § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB 5 gibt allen Beschäftigten ein Recht zur Befreiung von der Krankenversicherungspflicht, die ihre Arbeitszeit aus ihrer versicherungsfreien Beschäftigung auf die Hälfte oder weniger als die Hälfte der regelmäßigen Wochenarbeitszeit vergleichbarer Vollbeschäftigter reduzieren und deshalb gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB 5 versicherungspflichtig werden. Möglich ist dies nur bei denen, die vorher die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten haben.

2. Dabei ist auf den Zeitpunkt der erstmaligen Herabsetzung der Arbeitszeit abzustellen, soweit verschiedene Teilzeitbeschäftigungen aneinander anschließen. Nach dem Urteil des BSG vom 27. 1. 2000, B 12 KR 16/99 R müssen fünf Jahre Versicherungsfreiheit wegen Überschreitens der Jahresentgeltgrenze unmittelbar vor dem Beginn der Versicherungspflicht durch Herabsetzung der Arbeitszeit bestanden haben.

3. Eine Befreiung wegen einer Teilzeitbeschäftigung darf nur erfolgen, wenn zuvor das Entgelt fünf Jahre lang die Jahresarbeitsentgeltgrenze überstiegen hat.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11.11.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.09.2020 verurteilt, die Klägerin ab dem 01.01.2019 von der Krankenversicherungspflicht zu befreien.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht ab dem 01.01.2019.

Die 1966 geborene Klägerin war bis zum 31.08.1997 bei der Beklagten krankenversichert.

Seit dem 01.09.1997 bis zum 30.09.2006 überstieg das Entgelt der Klägerin als angestellte Ärztin die Jahresarbeitsentgeltgrenze, so dass sie versicherungsfrei und privat krankenversichert war.

Seit dem 01.10.2006 reduzierte die Klägerin ihre Arbeitszeit - zunächst wegen einer Elternzeit. Die Beklagte befreite die Klägerin ab dem 01.10.2006 durchgehend bis zum 31.08.2017 von der Krankenversicherungspflicht.

Der GKV-Spitzenverband hat mit dem Rundschreiben vom 07.12.2010 zu den versicherungs- und mitgliedschaftsrechtlichen Auswirkungen der Regelungen des GKV-Finanzierungsgesetzes Stellung genommen. Auf Seite 8 f. finden sich die folgenden Ausführungen:

"Mit der Änderung des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V wird das Befreiungsrecht für Teilzeitbeschäftigte erweitert. Künftig werden auch Personen auf Antrag von der Krankenversicherungspflicht befreit, die im Anschluss an den Bezug von Elterngeld oder die Inanspruchnahme von Elternzeit oder Pflegezeit eine Beschäftigung aufnehmen, bei der die Arbeitszeit die Hälfte oder weniger als die Hälfte der regelmäßigen Wochenarbeitszeit vergleichbarer Vollbeschäftigter des Betriebs beträgt (im Folgenden: Teilzeitbeschäftigung) und die als Vollbeschäftigung den Eintritt von Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zur Folge hätte. Damit wird - dem Sinn und Zweck der Regelung entsprechend - erreicht, dass sich auch Personen von der durch die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung eintretenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung befreien lassen können, die vor der Inanspruchnahme von Elternzeit oder Pflegezeit bereits für einen ausreichend langen Zeitraum versicherungsfrei wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze waren und während der Elternzeit oder Pflegezeit entweder keine Beschäftigung ausgeübt haben oder aber sich bei Ausübung einer zulässigen Beschäftigung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 oder 2a SGB V von der Versicherungspflicht haben befreien lassen. Die Änderung tritt am 1. Januar 2011 in Kraft und gilt für alle Befreiungsanträge, bei denen der Beginn der Versicherungspflicht aufgrund der Teilzeitbeschäftigung nach dem 1. Dezember 2010 liegt."

Seit dem 01.09.2017 bis zum 31.12.2018 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld 1. Mit dem Bescheid vom 08.11.2017 befreite die Beklagte die Klägerin von der Krankenversicherungspflicht.

Seit dem 01.01.2019 ist die Klägerin als angestellte Ärztin in Teilzeit tätig. Das Beschäftigungsverhältnis beinhaltet ein monatliches Entgelt von 1.620,00 Euro brutto und neun Wochenstunden. Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 06.11.2019 die Befreiung von der Versicherungspflicht ab dem 01.01.2019. Mit dem Bescheid vom 11.11.2019 lehnte die Beklagte die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass das Arbeitsentgelt der Klägerin in den letzten fünf Jahren die Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht durchgehend überstiegen habe.

Mit dem Schriftsatz vom 10.12.2019 erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass das Gesetz die Aufnahme eines neuen Beschäftigungsverhältnisses bei einem anderen Arbeitgeber einem entsprechenden Beschäftigungsverhältnis beim bisherigen Arbeitgeber ausdrücklich gleichstelle. Es würde der gesetzgeberische Zweck, Teilzeitbeschäftigung zu fördern, verfehlt...

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