Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Notdurftverrichtung und Händewaschen. Abgrenzung: versicherter Weg zur Toilettenanlage. Abgrenzungskriterium. Toilettenaußentür

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verrichtung der Notdurft ist grundsätzlich dem unversicherten Lebensbereich zuzurechnen, wohingegen Unfälle auf Wegen zur Verrichtung der Notdurft im Betrieb als Arbeitsunfälle anzuerkennen sind.

2. Der Versicherungsschutz auf dem Weg zur Toilette endet mit dem Betreten der zur Toilette zählenden Räumlichkeiten und lebt mit deren Verlassen wieder auf, wobei als Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung der Risikobereiche innerhalb und außerhalb der Toilettenräume nur das Durchschreiten der Toilettenaußentür als geeignet herangezogen werden kann.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall erlitten hat.

Die am … geborene und in einer Rechtsanwaltskanzlei beschäftigte Klägerin erlitt am 7. Dezember 2010 nach dem Beginn ihrer Arbeitszeit um 8:00 Uhr in den Räumlichkeiten ihres Arbeitgebers eine distale Radiusfraktur rechts. Der Unfallzeitpunkt wurde im H-Arzt-Bericht von DM … mit 9:40 Uhr und der Unfallhergang mit: "Patientin ist gestürzt Fliesen waren nass in der Toilette" angegeben. Im Durchgangsarztbericht von Dr. … vom 7. Dezember 2010 wurde der Unfallzeitpunkt ebenfalls mit 9:40 Uhr und zum Unfallhergang folgendes angegeben: "Kanzlei: sie ist "gestrauchelt" und dann auf die rechte Hand gefallen". In der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 7. Dezember 2010 wurde der Unfallhergang wie folgt geschildert: "Geschädigte ist in den Räumlichkeiten (Bad) auf den Fliesen ausgerutscht und gestürzt„.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2011 teilte die Klägerin der Beklagten mit, der Unfall habe sich während der Arbeitszeit beim Verlassen der Toilette ereignet. Sie können nicht näher erklären, warum es zum Sturz gekommen sei. Sie sei aus nicht nachvollziehbaren Gründen ausgerutscht und auf das rechte Handgelenk gefallen.

Mit Bescheid vom 7. April 2011 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund des Ereignisses vom 7. Dezember 2010 ab, da der Aufenthalt im Sanitärbereich nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass Wege zur Verrichtung der Notdurft sehr wohl versichert seien. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2011 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass nur der Weg zur Toilette versichert sei, nicht jedoch die Verrichtung der Notdurft bzw. der Aufenthalt im Sanitärbereich nach Durchschreiten der Toilettenaußentüren.

Mit der hiergegen am 20. Oktober 2011 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zum Hergang selbst trägt sie präzisierend vor, nach Verrichtung der Notdurft sei sie noch innerhalb der Toilette plötzlich aus unerklärlichen Gründen ausgerutscht und auf das rechte Handgelenk gefallen. Da der Weg zur Toilette versichert sei, handele es sich mithin um einen Unfall während einer versicherten Tätigkeit. Mit Schriftsatz vom 20. Januar 2012 legte die Klägerin einen Grundriss des Büros vor und markierte den Unfallort, der sich hinter der Toilettenaußentür zwischen dem WC-Spülbecken und dem Waschbecken befand. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 14 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2011 zu verurteilen, ihr aufgrund des Arbeitsunfalls vom 7. Dezember 2010 Leistungen gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Parteien sind zuvor angehört worden.

Die auf Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall gerichtete Klage ist bei sinnentsprechender Auslegung nicht als Leistungsklage, sondern als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG aufzufassen, mit der die gerichtliche Feststellung erreicht werden soll, dass der streitige Unfall ein Arbeitsunfall ist. Eine Verurteilung eines Versicherungsträgers darüber hinaus, “den Unfall zu entschädigen„ oder “die gesetzlichen Leistungen zu erbringen„, kommt nicht in Betracht; hierbei handelt es sich um ein unzulässiges Grundurteil ohne vollstreckungsfähigen Inhalt, dem neben dem Feststellungsausspruch keine eigenständige Bedeutung...

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