Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenübernahme für eine Therapie mit Cannabisblüten. Genehmigungsfiktion. keine Erforderlichkeit einer ärztlichen Verordnung. hinreichender Antrag. einstweiliger Rechtsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB 5 ist keine ärztliche Verordnung erforderlich.

2. Ein hinreichender Antrag kann sich auch aus anderen ärztlichen Unterlagen ergeben.

 

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragsteller vorläufig für die Dauer von sechs Monaten mit einer Therapie auf der Grundlage von Medizinal-Cannabisblüten zu versorgen.

2. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihn mit cannabishaltigen Arzneimitteln in Form von Medizinal-Cannabisblüten zu versorgen.

Der im Mai 1971 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Mit Schreiben vom 29.03.2017, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 06.04.2017, beantragte der Antragsteller die Kostenübernahme für eine Therapie mit Cannabis bzw. Cannabinoiden nach § 31 Abs. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Er leide seit über zehn Jahren an Depressionen, einer Angststörung sowie rezidivierenden Abszessen in verschiedenen Körperregionen. Seine Erkrankung sei schwerwiegend und nach ärztlicher Einschätzung mit Standardtherapien nicht bzw. nicht ausreichend zu behandeln bzw. die Standardtherapien seien mit ausgeprägten Nebenwirkungen verbunden. Er sei in den vergangenen Jahren mit einer Vielzahl verschiedener Medikamente jeweils über einen längeren Zeitraum sowie in ambulanten und stationären Aufenthalten behandelt worden, ohne dass eine Besserung erreicht werden konnte. Aus diesem Grunde sei er schon seit dem 08.12.2014 im Besitz einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Medizinal-Cannabisblüten führten bei ihm zu einer Stimmungsaufhellung, Angstlösung und Schlafverbesserung. Eine Dauermedikation sei ihm aufgrund der hohen Kosten in der Vergangenheit nicht möglich gewesen, da er mit einer sehr kleinen Rente auskommen müsse.

Dem Antrag beigefügt waren die Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG, eine fachärztliche Bescheinigung der behandelnden Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. K. vom 17.07.2014 sowie ein von Frau Dr. K. am 04.04.2017 ausgefüllter Arztfragebogen zu Cannabinoiden nach § 31 Abs. 6 SGB V.

Mit Schreiben vom 07.04.2017 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller das Eingangsdatum des Antrages mit und informierte ihn darüber, dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) um Beurteilung des Leistungsantrages gebeten werde. Sobald das Gutachten des MDK vorliege, werde über den Leistungsantrag entschieden. Der MDK forderte am 07.04.2017 bei Frau Dr. K. weitere Unterlagen an (Facharztberichte, Krankenhausentlassungsberichte, Vorsorge- bzw. Rehaberichte) und bat um Mitteilung, welche positiven/negativen Wirkungen der bisherige Cannabisgebrauch hatte, ob eine Reintegration sei 2014 geglückt sei und ob auch ein wirtschaftlicheres Cannabispräparat zweckdienlich sei. Um Vorlage wurde bis zum 14.04.2017 gebeten. Am 18.04.2017 teilte der MDK der Antragsgegnerin mit, dass die Befunde nach Ablauf der Frist eingegangen seien und eine Beurteilung nunmehr erfolgen könne.

Mit Schreiben vom 26.04.2017 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass die angeforderten Unterlagen verspätet beim MDK eingegangen seien. Dies habe zur Folge, dass sich die Prüfung des Antrages um voraussichtlich mindestens vier Tage verzögern werde. Am 08.05.2017 ging bei der Antragsgegnerin die Stellungnahme des MDK vom 04.05.2017 ein. Die Ärztin im MDK kam zu dem Ergebnis, dass zwar eine schwerwiegende Erkrankung im Sinne des § 31 Abs. 6 SGB V anerkannt werden könne. Allerdings sei zu verneinen, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechend Leistung nicht zur Verfügung stehe. Offen sei beispielsweise eine medikamentöse Behandlung mit SSRI (Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren), die sich sowohl für Panikstörung, soziale Phobie, Zwangsstörung, generalisierte Angststörung und in der Reduzierung depressiver Symptome als wirksam erwiesen habe. Das Antidepressivum Venlafaxin sei als wirksam nicht nur bei Depressionen, sondern auch bei sozialer Phobie, generalisierter Angststörung und Panikstörung nachgewiesen. Des Weiteren sei die Fortführung der vertraglichen Psychotherapie ggf. über die bisher bewilligten 25 Sitzungen hinaus und - bei fehlender Besserung - eine stationäre oder tagesklinische Therapie zu empfehlen. Außerdem widerspreche es dem allgemein anerkannten Standard der medizinischen Erkenntnisse, eine Depression mit wie ohne Komorbidität einer sozialen Phobie mit Cannabinoiden zu behandeln. Wegen der festgestellten Persönlichkeitsstörung und der depressiven Erkrankung bestehe eine Kontraindikation zur Behandlung mit Cannabisblüten.

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