Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherung. Arbeitnehmerüberlassung. Beitragsnachforderung aufgrund von equal-pay Ansprüchen nach der CGZP-Entscheidung des BAG vom 14.12.2010. Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge bis zur Grenze der Verjährung. keine Zweifel an höheren Arbeitsentgeltansprüchen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zeitarbeitsfirmen, die Leiharbeitnehmern zu Unrecht weniger Lohn gezahlt haben als die Entleiher ihren Stammbelegschaften, müssen wegen der Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP), die die Unwirksamkeit des die Grundlage für die niedrigen Löhne bildenden Tarifvertrages zur Folge hat, bis zur Grenze der Verjährung in § 25 Abs. 1 SGB IV Sozialversicherungsbeiträge auf die Differenz nachzahlen.

2. Die Tatsache, dass das BAG mit seinem Beschluss vom 14.12.2010 (Az: 1 ABR 19/10) die Tarifunfähigkeit der CGZP nur gegenwartsbezogen festgestellt hat, rechtfertigt hier nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Unter Berücksichtigung der dortigen Erwägungen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Tarifunfähigkeit der CGZP auch zum streitigen Zeitpunkt, mit der Folge, dass aufgrund des Equal-Pay-Grundsatzes höhere Arbeitsentgeltansprüche bestanden haben.

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 204.701,66 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 13.03.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15.02.2012, mit welchem für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2009 Sozialversicherungsbeiträge i. H. v. insgesamt 409.403,33 € nachgefordert werden.

Die Antragstellerin ist in der Rechtsform einer GmbH im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig. Die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) und des Arbeitgeberverbandes mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) waren im Nachforderungszeitraum Grundlage der Arbeitsverträge zwischen der Antragstellerin und deren (Leih-)Arbeitnehmern.

Mit Schreiben vom 13.08.2010 erklärte die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin, dass die für den Prüfzeitraum vom 01.06.2006 bis zum 31.12.2009 durchgeführte Betriebsprüfung nach stichprobenweiser Überprüfung der vorgelegten Unterlagen und Aufzeichnungen keine Beanstandungen bezüglich der Versicherungs- und Beitragspflicht im Sinne der Sozialversicherung ergeben habe.

Mit Beschluss vom 01.04.2009 hat das Arbeitsgericht Berlin - 35 BV 17008/08 - festgestellt, dass die CGZP nicht tariffähig ist. Mit Beschluss vom 07.12.2009 hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg - 23 TaBV 1016/09 - die Entscheidung im Wesentlichen bestätigt. Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Beschluss vom 14.12.2010 - 1 ABR 19/10 - die Rechtsbeschwerden der CGZP, des AMP sowie der Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungsunternehmen e. V. (BVD) gegen den Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 07.12.2009 - 23 TaBV 1016/09 - zurückgewiesen hatte, hat sich die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 21.12.2010 an die Antragstellerin gewandt und unter anderem mitgeteilt, es lasse sich derzeit nicht mit letzter Sicherheit sagen, wie die Frage der Rückwirkung dieser Entscheidung des BAG auf Beitragsansprüche, die seit Januar 2006 fällig geworden sind, zu beantworten sei. Um Schaden von den Sozialversicherungen abzuwenden, sehe sie sich deshalb verpflichtet, hiermit fristwahrend die Ansprüche auf entgangene Sozialversicherungsbeiträge noch im Jahr 2010 geltend zu machen. Die Antragstellerin sei daher verpflichtet, selbständig unverzüglich zu überprüfen, welche Beitrags- und Meldepflichten im Nachgang zu diesem Urteil zu erfüllen seien. Es sei beabsichtigt, im Jahr 2011 eine Betriebsprüfung durchzuführen.

Mit Bescheid vom 15.02.2012 erklärte die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin, es ergebe sich aufgrund der in der Zeit vom 12.12.2011 bis 23.12.2011 durchgeführten Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2009 eine Nachforderung in Höhe von 409.403,33 EUR. Nach der stichprobenweise durchgeführten Prüfung ergäben sich Beitragsansprüche aufgrund der Unwirksamkeit des angewandten Tarifvertrages und des daraus resultierenden equal-pay-Anspruchs der betroffenen Beschäftigten (§ 10 Abs. 4 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - AÜG - i. V. m. § 22 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV -). Das BAG habe die Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt. Dies habe die Unwirksamkeit der geschlossenen Tarifverträge zur Folge. Beitragsbemessungsgrundlage für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge sei damit der Arbeitsentgeltanspruch eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers in dem Entleihbetrieb nach § 10 Abs. 4 AÜG. Es seien Beiträge zur Sozialversicherung auf der Grundlage der Differenz zwischen dem gemeldeten und dem Beitragsanspruch zugrunde gelegten Arbeitsentgelt und dem vergleichbaren Arbeitsentgelt ei...

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