Leitsatz (amtlich)

1. Ein vorsätzliches Vorenthalten von Beiträgen iS von § 25 Abs 1 S 2 SGB 4 ist nicht schon allein deshalb auszuschließen, weil die mangelnde Beitragsabführung auf wirtschaftlichem Unvermögen beruht.

2. Das Merkmal des vorsätzlichen Vorenthaltens in § 25 Abs 1 S 2 SGB 4 und in § 266a StGB ist nicht in jeder Hinsicht deckungsgleich.

 

Tenor

Der Bescheid vom 10.01.2000 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1309,54 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Entrichtung von noch offenen Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung gemäß § 141 n Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Die Klägerin macht für ihre Versicherten A. A1, A2 D., I. K., R. L., J. L1, M. M1, R1 S. und P. W. rückständige Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die am 30.04.1993 bzw. am 30.06.1993 geendeten Arbeitsverhältnissen i.H.v. noch 2387,58 € (4669,70 DM) sowie Mahngebühren i.H.v. noch 8,46 € (16,54 DM), Beitreibungskosten von 13,65 € (26,69 DM) und Säumniszuschläge von 69,43 € (135,80 DM) geltend. Die Versicherten der Klägerin waren Arbeitnehmer der Firma H. W1 Büroeinrichtungen und EDV-Anlagen Handelsgesellschaft mbH, F. E. (im nachfolgenden Firma W1). Die Firma W1 betrieb seit 1990 den Kauf und Verkauf von Büromaschinen, Büromöbeln und EDV-Anlagen einschließlich Software. Insgesamt existierte eine „W1-Firmengruppe“, bestehend aus mehr als 10 verschiedenen Unternehmen, die über die Gesellschafter miteinander verbunden waren.

Mit Schreiben vom 20.04.1993 bat die Firma W1 die Klägerin um Stundung der Sozialversicherungsbeiträge für den Monat März i.H.v. 10.237, 70 DM für einen Zeitraum von 4 Wochen. Mit Schreiben vom 19.05.1993 beantragte die Firma W1 bei dem Amtsgericht Frankenberg/Eder die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft. Die Gesellschaft habe am 19.05.1993 ihre Zahlungen faktisch eingestellt. Löhne und Gehälter von über 100.000 DM könnten nicht bezahlt werden. Mit Beschluss vom 19.05.1993 ordnete das Amtsgericht Frankenberg/Eder die Sequestration des Vermögens der Firma W1 zwecks Sicherstellung und Feststellung der Masse an. Zugleich wurde gemäß § 106 KO ein allgemeines Veräußerungsverbot zur Sicherung der Masse erlassen. Als Sequester wurde Rechtsanwalt Dr. F1 W2 bestellt. Mit Beschluss vom 01.07.1993 wurde das Konkursverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. F1 W2 zum Konkursverwalter bestellt. Das Konkursverfahren wurde mit Beschluss vom 08.08.2001 gemäß § 163 KO aufgehoben.

Bereits mit Schreiben vom 19.05.1993 beantragte die Klägerin beim Arbeitsamt Berlin die Erstattung von Pflichtbeiträgen nach § 141 n AFG vorsorglich dem Grunde nach betreffend der Zahlungsunfähigkeit der Firma PC S1 H. W1 H1 GmbH, L.-Strasse, Berlin. Mit Bescheid der Klägerin vom 01.06.1993, gerichtet an die Firma PC S1 H. W1 H1 GmbH, L.-Strasse, Berlin, forderte die Klägerin die Zahlung von rückständigen Beiträgen für die Zeiträume 01.02.1993 bis 31.03.1993 i.H.v. 21.255, 40 DM nebst Säumniszuschlag i.H.v. 424, 10 DM und 01.04.1993 bis 30.04.1993 i.H.v. 10.237, 70 DM nebst Säumniszuschlägen i.H.v. 204, 60 DM und einer Mahngebühr von 100 DM, insgesamt 32.191, 90 DM. Am 08.06.1993 erteilte die Klägerin dem Amtsgericht Charlottenburg einen Vollstreckungsauftrag hinsichtlich der PC H. W1 H1 GmbH. Am 12.07.1993 teilte der Gerichtsvollzieher mit, dass die Firma PC S1 H. W1 H1 GmbH unter der angegebenen Adresse nicht mehr ansässig sei. Mit Schreiben vom 10.02.1999 meldete die Klägerin beim Konkursverwalter ausstehende Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 55.117,37 DM an. In der Tabelle der angemeldeten Forderungen des Amtsgerichts Frankenberg/Eder ist die Forderung der Klägerin als lfd. Nr. 19 i.H.v. 55.117,37 DM erfasst. Als Tag der Anmeldung ist der 16.02.1999 notiert. Mit Schreiben vom 24.11.2001 teilte der Konkursverwalter der Klägerin mit, dass die Forderung mit einer Quote von 83,462625 % entsprechend einem Betrag von 46002,40 DM bedient werde. Über diese Quotenzahlung des Konkursverwalters informierte die Klägerin das Gericht erstmals mit Schreiben vom 29.08.2006.

Bereits mit Schreiben vom 01.11.1993, eingegangen bei der Beklagten am 05.11.1993, beantragte die Klägerin erneut die vorsorgliche Erstattung von Pflichtbeiträgen wegen Zahlungsunfähigkeit der Firma PC S1 H. W1 H1 GmbH, L.-Strasse, Berlin, dem Grunde nach.

Am 17.02.1999 beantragte die Klägerin bei der Beklagten gemäß § 141 n AFG die Entrichtung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung, zur gesetzlichen Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit i.H. eines Gesamtbetrages von 57.292,37 DM. Betroffen waren die Arbeitnehmer A. A1 (rückständige Pflichtbeiträge für den Zeitraum April 1993 bis Juni 1993), A2 D. (rückständige Pflichtbeiträge für den Zeitraum April 1993 bis Juni 1993), I. K. (rückständige Pflichtbeiträge für den Zeitraum Februar 1993 bis April 1993), R. L. (rückstän...

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