Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wie-Berufskrankheit gem § 9 Abs 2 iVm Abs 1 S 2 SGB 7. medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse. epidemiologische Studien. Hüfterkrankung. Profi-Handballspieler. keine Berücksichtigung der Expositionen im Berufskrankheitenrecht: unversicherte Zeiten als Jugendhandballspieler

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es gibt keine medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne einer gesicherten herrschenden Ansicht, nach denen die Anerkennung einer Hüfterkrankung bei Handballspielern als Berufskrankheit im Verfahren nach § 9 Abs 2 SGB VII in Betracht kommt. Das Gericht geht dabei in Anwendung der Rechtsprechung des BSG (vgl vom 18.6.2013 - B 2 U 6/12 R = SozR 4-2700 § 9 Nr 22) davon aus, dass diese medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse durch epidemiologische Studien nachgewiesen sein müssten.

2. Soweit zwischen Aufnahme der versicherten Tätigkeit als professioneller Handballspieler und der erstmaligen Diagnose der Hüfterkrankung ein Zeitraum von nicht einmal zwei Jahren liegt, besteht auch kein "Anfangsverdacht" eines kausalen Zusammenhanges, der Anlass für weitere Ermittlungen des Gerichts von Amts wegen bieten würde.

3. Die unversicherten Zeiten als Jugendspieler in einer Sportart, die später beruflich ausgeübt wird, finden bei der Beurteilung von Expositionen im Berufskrankheitenrecht keine Berücksichtigung.

 

Tenor

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten wegen der Anerkennung einer Hüfterkrankung als sogenannte "Wie-Berufskrankheit" im Verfahren nach § 9 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) aus einer Tätigkeit als professioneller Handballspieler.

Der 1985 geborene Kläger spielte seit seiner Jugend Handball, teilweise als Profi und war in dieser professionellen Tätigkeit bei der Beklagten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Am 20. November 2014 ging bei der Beklagten ein Antrag auf Anerkennung einer so genannten "Wie-BK" über die Prozessbevollmächtigten des Klägers ein; eine ärztliche Berufskrankheit-Verdachtanzeige lag und liegt nicht vor. Der über die Prozessbevollmächtigten erstatteten Berufskrankheiten-Verdachtanzeige lagen mehrere medizinische Befunde bei, unter anderem des Orthopäden Dr. C., C-Stadt, der selbst viele Jahre als Handballtrainer im professionellen Bereich tätig gewesen ist. Er stellte darin dar, bei dem Kläger läge eine Hüfterkrankung im Sinne einer schweren Arthrose vor. Seines Erachtens sei diese Erkrankung typisch für Leistungssportler, speziell im Handball, mit sehr viel gleitenden Seitwärtsbewegungen, vielen Sprüngen und Landungen, sehr viel Arbeiten im Körperschwerpunkt Fixation. Die Beklagte leitete daraufhin ein Verwaltungsverfahren ein und ermittelte zunächst zum beruflichen Werdegang. Der Kläger führte hierzu aus, er habe seit seinem vierten Lebensjahr Handball gespielt und habe alle Jugendmannschaften in der D. D-Stadt/E-Stadt absolviert. Mit diesem Verein habe er in der B-Jugend den deutschen Meistertitel erworben. Professionell sei er als Handballer ab 2002 tätig gewesen. Einen ersten schriftlichen Vertrag habe er bei der D. D-Stadt/E-Stadt ab 1. August 2003 erhalten. Die professionelle Tätigkeit als Handballer stellt sich insgesamt wie folgt dar:

2002 - 2004

D. D-Stadt/E-Stadt, jetzt D. F-Stadt

2004 - 2008

G./G-Stadt, x. Liga

2008 - 2010

H. A-Stadt

2010 - 2011

I. I-Stadt und

2011 - 2012

J. J-Stadt

Im Übrigen hat der Kläger während seiner Tätigkeit als Handballspieler für die G./G-Stadt 2005 einen Arbeitsunfall mit Anpralltrauma im Bereich des Beckens und der Hüfte erlitten. Hier hat er über seine Prozessbevollmächtigten einen Antrag auf Entschädigung gestellt, der mit Bescheid vom 28. Oktober 2014 zurückgewiesen worden ist. Einen weiteren Arbeitsunfall hat er im Jahr 2008 erlitten, auch hierzu hat die Beklagte mit Bescheid vom 10. August 2015 Entschädigungsleistungen abgelehnt. Beide Arbeitsunfälle sind nicht Gegenstand des Verfahrens.

Im weiteren Verwaltungsverfahren hat die Beklagte zahlreiche Krankenunterlagen beigezogen und eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. K. angefordert. Der Beratungsarzt kam in seiner Stellungnahme vom 12. März 2015 zu dem Ergebnis, in Auswertung der aktuellen Literatur könne keine "Wie-BK" anerkannt werden. Es fehle hierzu jegliche Epidemiologie, die belege, dass die Personengruppe der Handballspieler durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die Bevölkerung betroffen wäre. Im konkreten Fall werde dies zusätzlich noch durch die äußerst kurze Anamnese gestützt. Bei dem Kläger sei es innerhalb von weniger als zwei Jahren nach Aufnahme der versicherten Tätigkeit zu einer verschleißbedingten Erkrankung des Hüftgelenks gekommen. Ein Zusammenhang sei deshalb allein aufgrund des Zeitfaktors nicht belegbar. Aufgrund dieser beratungsärztlichen Stellungnahme hat die Beklagte die Akte dem Landesgewerbearzt vorgelegt. Dieser ...

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