Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Holen eines Getränkes aus einem Getränkeautomaten in einem Sozialraum. sachlicher Zusammenhang. objektivierte Handlungstendenz. betriebliches Interesse. besonders belastende Tätigkeit. eigenwirtschaftliches Interesse. Sturz nach Durchschreiten der Sozialraumtür

 

Orientierungssatz

1. Stürzt eine Arbeitnehmerin beim Holen einer Tasse Kaffee in einem Sozialraum, in dem sich der Kaffeeautomat befindet, steht sie dabei mangels Vorliegens des sachlichen Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

2. Ein sachlicher Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit kann ausnahmsweise dann bestehen, wenn betriebliche Umstände die Einnahme des Essens oder das Trinken wesentlich mitbestimmten.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit wird um die Anerkennung des Ereignisses vom 25.02.2021 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII geführt.

Die 1965 geborene Klägerin zog sich am 25.02.2021, um 15:30 Uhr beim Ausrutschen im Sozialraum, als sie sich einen Kaffee holte, einen Bruch des dritten Lendenwirbelkörpers, eine Stauchung der Lendenwirbelsäule, eine Beckenprellung, eine Prellung und Distorsion der rechten Hüfte zu.

Die Beklagte ermittelte nach Kenntnisnahme des Unfalls durch den Durchgangsarztbericht vom 09.03.2021 den Sachverhalt.

Ausweislich der Unfallanzeige vom 11.03.2021 sei die Kantine vom beauftragten Reinigungsunternehmen feucht gewischt worden. Es sei ein Warnschild aufgestellt gewesen, welches auf die Rutschgefahr hingewiesen habe. Beim Betreten der Kantine sei die Klägerin ausgerutscht, wobei sie sich im letzten Moment noch habe fangen können. Hierbei habe sie sich nach eigenen Angaben „völlig verdreht“. Sie habe sich eine Fraktur des dritten Lendenwirbels zugezogen.

Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 27.03.2021 mit, dass sie die Kantine aufgesucht habe, um sich einen Kaffee zu holen. Der Kaffeeautomat befinde sich in der Kantine.

Mit Bescheid vom 13.04.2021 verneinte die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalles. Da sich der Unfall innerhalb des Kantinenraumes ereignet habe, der nicht zum versicherten Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung gehöre, habe kein Versicherungsschutz bestanden und es liege kein Arbeitsunfall vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2021 wies die Beklagte den klägerischen Widerspruch vom 23.04.2021 zurück. Die Nahrungsaufnahme und die Nahrungsbesorgung in der Kantine werde dem privaten, unversicherten Lebensbereich zugeordnet. Denn die Nahrungsaufnahme sei für jeden Menschen ein Grundbedürfnis und betriebliche Belange, etwa das betriebliche Interesse an der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers, würden zurücktreten.

Auch die Zurverfügungstellung einer Kantine durch den Arbeitgeber reiche nicht aus, um einen Versicherungsschutz zu gewähren. Zwar stünden die Wege, die im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme zurückgelegt werden müssen, unter Versicherungsschutz. Jedoch ende der Versicherungsschutz auf dem Hinweg zur Kantine jeweils, wenn die Kantine durchschritten werde. Das Geschehen innerhalb der Kantine, also das Ausrutschen auf nassem bzw. glitschigem Boden der Kantine bei Besorgung eines Kaffees, stehe folglich nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Klägerin hat am 21.07.2021 Klage beim Sozialgericht Fulda erhoben.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Ereignis vom 25.02.2021 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII anzuerkennen sei. Sie habe sich einen Kaffee geholt und sei ausgerutscht. Hierbei habe sie sich stark verrenkt und habe sich selbst abgefangen. Einen direkten Sturz habe sie vermieden. In der Folgezeit habe sie eine körperliche Beeinträchtigung ihres rechten Beines bemerkt. Der Bruch des dritten Lendenwirbelkörpers sei im Anschluss festgestellt worden.

Essen und Trinken während der Arbeitszeit seien dadurch gekennzeichnet, dass sie regelmäßig unaufschiebbare, notwendige Handlungen seien, um die Arbeitskraft zu erhalten und es mittelbar zu ermöglichen, die jeweils aktuelle betriebliche Tätigkeit fortzusetzen. Wege, die zu diesem Zweck zurückgelegt werden, seien von dem mittelbar betriebsbezogenen Handlungsziel geprägt. Dies bewirke den wesentlichen inneren Zusammenhang zwischen dem Betrieb und einem nach oder von der Nahrungsaufnahme außerhalb des Betriebs unternommenen Weg. Auf solchen Wegen bestehe Unfallversicherungsschutz. Der Weg der Klägerin zum Kaffeeautomaten sei versichert.

Grundsätzlich ende der Versicherungsschutz mit dem Durchschreiten der Kantinentür. Der Versicherungsschutz erstrecke sich damit im Allgemeinen nicht auf Unfälle beim Aufenthalt an der zur Einnahme des Essens bzw. Trinkens aufgesuchten Strecke.

Diese Grundsätze seien bei der Klägerin nicht anwendbar, da es sich bei dem von der Klägerin aufgesuchten Raum nicht um die Kantine handele. Es handele sich ...

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