Entscheidungsstichwort (Thema)

Regress wegen der Verordnung von Immunglobulinen

 

Orientierungssatz

1. Die für Intratect® erteilte Zulassung umfasst die Substitution bei primären Immunmangelsyndromen, Myelom oder chronisch-lymphatischer Leukämie, Kindern mit angeborenem AIDS, Immunmodulation bei der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura, dem Guillain-Barré-Syndrom und dem Kawasaki-Syndrom sowie bei allogener Knochenmarkstransplantation.

2. Die Therapie der MS ist als Anwendungsgebiet nicht genannt.

3. Die Verordnung eines Medikamentes im Off-Label-Use zu Lasten der GKV kommt nur in Betracht, wenn es um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachteilig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, keine andere Therapie verfügbar ist und aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.

4. Diese Voraussetzungen lagen bezüglich der Verordnung von Immunglobulinen für die Behandlung der sekundär chronischen oder schubförmig verlaufenden MS im Zeitpunkt der streitbefangenen Verordnungen nicht vor.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Regress wegen der Verordnung von Immunglobulinen.

Der Kläger ist ein Medizinisches Versorgungszentrum mit Sitz in E-S und ist als Schmerzzentrum tätig. In den streitbefangenen Quartalen 4/2010 bis 2/2011 stand dort u.a. die bei der Beigeladenen zu 1) Versicherte N C, geb. 00.00.1956, in Behandlung. In diesen Quartalen verordneten die Ärzte des Klägers für diese Patientin das intravenöse Immunglobulin Intratect®.

Auf Prüfantrag der Beigeladenen zu 1) setzte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein mit Bescheid vom 10.09.2012 einen Regress in Höhe von 5.508,74 EUR netto fest.

Diesem Bescheid widersprach der Kläger.

Die Therapie mit intravenösem Immunglobulin sei aufgrund fachärztlich-neurologisch gestellter Indikation seit Oktober 2006 in monatlichen Abständen durchgeführt worden. In der Tat handele es sich hierbei um einen Off-Label-Use, wobei Herr U nicht selbst die Indikation für diese Form der Therapie gestellt habe, sondern diese von der betreuenden neurologischen Fachklinik (B1hospital1 B2, J) festgelegt worden sei. In Ermangelung alternativer Möglichkeiten sei diese Form der Therapie berechtigt gewesen. Die Patientin leide unter einer schweren Depression, die bereits 2003 aufgetreten sei, was die Durchführung einer Therapie mit dem zugelassenen Beta-Interferon eingeschränkt habe, weil unter einer Interferon-Therapie erhebliche psychiatrische Nebenwirkungen bis zu Suiziden beschrieben seien. Auch eine Therapie mit Mitoxantron sei von der Patientin aus Angst vor diesem Medikament (Zytostatikum) abgelehnt worden. Das jetzt zugelassene Medikament Tysabri (Natalizumab) sei seinerzeit noch nicht verfügbar gewesen.

Die gute Wirksamkeit der regelmäßigen Gammaglobulintherapie auf die Multiple Sklerose (MS) sei mehrfach fachneurologisch attestiert worden, nicht nur von der behandelnden Klinik, sondern auch von dem vor Ort mitbehandelnden Neurologen E.

Mit Bescheid vom 07.01.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück:

Er stelle fest, dass Intratect® nicht zur Behandlung der Encephalitis disseminata zugelassen sei und somit hier die Behandlung in einem Off-Label-Use stattgefunden habe. Die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aufgestellten Voraussetzungen für einen kontrollierten Off-Label-Use lägen jedoch nicht vor. Zwar handele es sich bei der Erkrankung MS um eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung. Auch scheine es zumutbare Behandlungsalternativen wegen aufgetretener erheblicher Nebenwirkungen von Betaferon nicht zu geben. Es fehle aber jedenfalls an der für einen Off-Label-Use auf Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherung erforderlichen Erfolgsaussicht. Auch habe der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) einen Beschluss vom 20.10.2011, veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 11.01.2012, über eine Nichtänderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage VI - Off-Label-Use - Intravenöses Immunglobulin (IVIG) im Anwendungsgebiet MS bekannt gegeben, da sich weder eine positive noch eine negative Bewertung zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis habe feststellen lassen.

Hiergegen richtet sich die am 28.01.2013 erhobene Klage.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Er weist darauf hin, dass andere Therapien mit zugelassenen Präparaten (Beta-Interferon, Mitoxantron, Natalizumab) auf Grund von Kontraindikationen von Beginn an nicht eingesetzt worden seien. Soweit der G-BA seinen Beschluss über die Nichtänderung der AM-RL im Januar 2012 veröffentlicht habe, beziehe sich seine Stellungnahme auf einen Zeitpunkt, der deutlich hinter dem Zeitraum liege, in dem die Patientin mit Immunglobulinen behandelt worden sei. Ein therapierender Arzt könne immer nur in Richtlinien behandeln, die ...

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