Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Erhebung von Beitragsnachforderungen gegenüber Insolvenzverwalter. Befreiung von Verpflichtung zur Beitragsentrichtung an Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung nach § 335 Abs 3 S 2, Abs 5 SGB 3. Arbeitgeber/Insolvenzverwalter. Verpflichtung zur Feststellung der Beitragssumme und der Abzugsbeträge

 

Orientierungssatz

1. Aus dem Vollstreckungsverbot des § 210 InsO folgt nicht, dass dem Rentenversicherungsträger bereits der Erlass eines Leistungs- oder Zahlungsbescheides verwehrt und er nur noch zur Feststellung der Beitragsschuld berechtigt ist. Denn der Erlass eines Leistungs-/Zahlungsbescheides ist noch keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung. Dem Erlass eines solchen Bescheides steht auch nicht ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis entgegen.

2. Der Befreiungseinwand aus § 335 Abs 3 S 2 SGB 3 setzt wegen der Anknüpfung an die Beitragszahlung durch die Bundesagentur für Arbeit eine Erfüllung durch einen Dritten voraus. Die Erfüllung der Beitragsschuld führt aber nicht zur Rechtswidrigkeit der festgestellten Beitragszahlungsverpflichtung aus den angefochtenen Bescheiden, denen zugleich die Funktion als Beitragsnachweis zukommt. Vielmehr steht lediglich der Durchsetzung des Zahlungsanspruchs der Einwand der Erfüllung entgegen. Die Durchsetzung des Zahlungsanspruchs allerdings ist nach § 28h SGB 4 aufgrund des zweigeteilten Verfahrens bei der Betriebsprüfung allein Aufgabe der Einzugsstellen, ihnen gegenüber ist der Einwand daher geltend zu machen.

3. Es ist Aufgabe des Arbeitgebers/Insolvenzverwalters und nicht allein Aufgabe der Behörde, die die Betriebsprüfung vorgenommen und die streitgegenständlichen Bescheide erlassen hat, für die den Bescheid erlassene Behörde heraus zu finden, welche Summe er an die Einzugsstellen zu zahlen und ggf welche Beiträge er in Abzug zu bringen hat (entgegen SG Düsseldorf vom 31.5.2010 - S 52 (10) R 41/08).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.05.2015; Aktenzeichen B 12 R 16/13 R)

 

Tenor

. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen umstritten.

Der Kläger ist der Insolvenzverwalter der K. Germany GmbH (im folgenden: Arbeitgeber), über deren Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf (Az. 502 IN 127/09 am 01.08.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Seitdem stellte der Kläger z.T. Mitarbeiter frei, zum 31.01.2010 stellte er den Geschäftsbetrieb vollständig ein. Mit Schreiben vom 01.02.2010 zeigte er die Masseunzulänglichkeit an. In der Zeit vom 10.05.2010 bis 29.07.2010 prüfte die Beklagte den Betrieb des insolventen Arbeitgebers. Mit Bescheid vom 06.08.2010 stellte sie gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Arbeitgebers fest, dass für freigestellte Arbeitnehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Beitragsnachweise mehr bei den beigeladenen Einzugsstellen eingereicht worden sind. Zudem seien sämtliche Meldungen für freigestellte Arbeitnehmer mit einem fehlerhaften Meldegrund bei den beigeladenen Einzugsstellen eingereicht worden (Grund 30 statt 71) und es hätten sämtliche Abmeldungen zum rechtlichen Ende der Beschäftigung gefehlt (Grund 72). Der Kläger habe 101.046,18 € innerhalb der Zahlungsfrist (drittletzter Bankarbeitstag des Monats, der dem Datum des Bescheides folge) zu zahlen. Ferner wird im Bescheid die Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 01.02.2010 erwähnt; er enthält zudem den Hinweis, dass sich hinsichtlich der Höhe der Nachforderung Änderungen ergäben, soweit die betroffenen Arbeitnehmer vor Ablauf der Kündigungsfristen neue Arbeitsverhältnisse eingegangen seien. Des Weiteren werde auf § 335 Abs. 3 und 5 Drittes Sozialgesetzbuch (SGB III) verwiesen, wonach der Agentur für Arbeit im Falle des § 143 Abs. 3 SGB III die von dort geleisteten Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu erstatten seien. Zudem heißt es dort, dass der Kläger als Insolvenzverwalter/Arbeitgeber bei Bekanntwerden von u.a. Erstattungsansprüchen der Bundesagentur für Arbeit nach § 143 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 115 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) dies unverzüglich unter Angabe der Betriebsnummer der hiervon tangierten Einzugsstelle mitteilen solle. Eine Minderung der im Prüfbescheid ausgewiesenen Beitragsforderungen erfolge erst im Wege einer Sollkontenkorrektur im Arbeitgeberkonto, sofern die Einzugsstelle von den endgültigen Ersatzansprüchen der Bundesagentur für Arbeit nach § 115 SGB X Kenntnis erlange.

Der Kläger widersprach und machte geltend, die Beklagte könne nicht die dem Grunde nach zu Recht ermittelten Beitragsansprüche von ihm in voller Höhe verlangen. Die Beklagte müsse anspruchsmindernd berücksichtigen, dass ggf. ein Teil der Beschäftigten vor Ablauf der Kündigungsfrist ein neues Arbeitsverhältnis mit der Folge begründet hätte, dass ab diesem Zeitpunkt keine Beiträge mehr von ihm zu zahlen seien. Ebenso dürfe die ...

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