Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungspflicht in dr Kranken- und Pflegeversicherung bei einer Vorstandstätigkeit in einer Aktiengesellschaft

 

Orientierungssatz

1. Voraussetzung für das Bestehen von Versicherungspflicht ist das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Vorstandsmitglieder einer AG sind in der Regel keine abhängig Beschäftigte. Für die Arbeitslosen- und Rentenversicherung ist das ausdrücklich geregelt.

2. Die Versicherungsfreiheit der Renten- und Arbeitslosenversicherung wird gestützt auf die Prägung der Tätigkeit durch die Regeln im Aktiengesetz. Diese Prägung muss auch für den Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt werden. Die typisierende Bestimmung gilt nach der Rechtsprechung des BSG auch für die Krankenversicherung. Eine konkrete Einzelfallprüfung ist deshalb grundsätzlich nicht durchzuführen.

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Bescheides vom 18.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2007 wird festgestellt, dass die seit 01.11.2002 ausgeübte Vorstandstätigkeit des Klägers bei der J AG keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung begründete.

2. Die Beklagte hat die seit 01.11.2002 gezahlten Arbeitnehmeranteile zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass seine Tätigkeit als Vorstand einer Aktiengesellschaft keine Versicherungspflicht für gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung begründete und die Beklagte die zu Unrecht gezahlten Beiträge zu erstatten hätte.

Am 10.10.2002 wurde der Kläger zum Vorstand der J-Immobilien T1 und T2 AG bestellt. Tätigkeitsschwerpunkt der AG ist der Handel mit Gebrauchtimmobilien. Es werden Immobilien aus Versteigerungen erworben und möglichst schnell zu höheren Preisen wieder veräußert. Den Anlegern werden hoch verzinste Inhaberschul-verschreibungen angeboten. Laut Satzung besitzt die AG ein Grundkapital von 3.000.000,00 EUR Namens Aktien.

Am 27.10.2002 wurde zwischen der AG und dem Kläger ein Anstellungsvertrag geschlossen, wonach der Kläger mit Wirkung ab 10.10.2002 für die Zeit bis zum 30.09.2007 zum alleinvertretungsberechtigten Vorstand der Gesellschaft bestellt wurde. Als Vorstand führe er die Geschäfte der Gesellschaft eigenverantwortlich nach Maßgabe der Gesetze und der Satzungen, der Beschlüsse der Hauptversammlung und des Aufsichtsrates, der vom Aufsichtsrat erlassene Geschäftsordnung und dieses Vertrages. Er arbeite bis auf Weiteres als Alleinvorstand. Nach § 2 wurde der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen. Nach § 3 kann der Aufsichtsrat in einer Geschäftsordnung bestimmen, dass der Vorstand für die Geschäfte und Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen, der vorherigen Zustimmung des Aufsichtrates bedürfe. In § 4 war ein Jahresgehalt in Höhe von 36.000,00 EUR vereinbart. Nach § 5 richtete sich die Arbeitszeit nach den betrieblichen Erfordernissen, jedoch mindestens 40 Stunden pro Woche. Der Vorstand gestalte seine Arbeitszeit nach freiem Ermessen und unter vorrangiger Berücksichtigung der Interessen der Gesellschaft. Eine Überstundenvergütung erfolge nicht. § 6 regelte die Überlassung eines angemessenen Dienstwagens für Dienstfahrten. Nach § 9 war ein Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen auf der Basis einer 5-Tage-Woche vereinbart. In § 10 war eine Lohnfortzahlung im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit für drei Monate vereinbart.

Mit Schreiben vom 06.05.2005 beantragte der Kläger und die AG die Erstattung der zu viel gezahlten Arbeitnehmeranteile und zwar Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab November 2002. Bei einer Lohnsteuerprüfung hätte das Finanzamt festgestellt, dass die Vorstandstätigkeit des Klägers sozialversicherungsfrei sei. Der Kläger erhalte knapp 20 % der Aktien der Aktiengesellschaft und der Bruttolohn betrage nach wie vor 3.000,00 EUR pro Monat. Gewinnausschüttungen seien erst ab 2007/2008 zu erwarten. Mit Bescheid vom 18.07.2005 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seit dem 01.11.2002 versicherungspflichtig in der Kranken- und Pflegeversicherung sei. In der Renten- und Arbeitslosenversicherung war er versicherungsfrei seit dem 01.11.2002. Dem Bescheid war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt.

Dagegen hat der Kläger am 23.02.2006 Widerspruch erhoben. Bei der Vorstandstätigkeit für eine Aktiengesellschaft handele es sich nicht um eine abhängige Beschäftigung, so dass eine Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nicht vorliege. Das Aktiengesetz habe die Tätigkeit des Vorstandes im Wesentlichen als nicht abhängig geregelt. Nach § 76 Abs. 1 AktG habe der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. Ihm obliege die Geschäftsführung (§ 77 Abs. 1 AktG) und die Vertretungsbefugnis nach außen (§ 78 AktG), die nicht beschränkt werden könne (§ 82 Abs. 1 AktG). Nach § 111 AktG hätte der Vorstand kein Weisungsrecht, sonde...

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