Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld: Elterngeldanspruch bei Aufnahme und Betreuung eines Pflegekindes

 

Orientierungssatz

Bei einer Pflegschaft über ein Kind im Rahmen eines Dauerpflegeverhältnisses besteht kein Anspruch auf Elterngeld. Dieses kommt ausnahmsweise nur bei einer Adoptionspflege in Betracht. Dabei genügt die bloße Adoptionsbereitschaft noch nicht zur Annahme einer solchen Adoptionspflege. Eine solche Einschränkung der Gewährung von Elterngeld bei der Pflegschaft über ein Kind begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Elterngeld für ihr Pflegekind K L (geboren am 11.07.2007).

Laut Bescheinigung des Jugendamtes -Pflegekinderdienst- der Stadt Bielefeld vom 09.11.2007 lebt das Kind seit dem 10.11.2007 als Dauerpflegekind gemäß § 33 Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) im Haushalt der Klägerin und ihres Ehemannes. Die Klägerin und ihr Ehemann erhalten ab dem 10.11.2007 nach Anrechnung von 77,00 EUR Kindergeld ein Pflegegeld in Höhe von monatlich 566,00 EUR.

Den Antrag der Klägerin auf Elterngeld für den 5. bis 16. Lebensmonat des Kindes vom 08.02.2008 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.02.2008 ab. Zur Begründung ist ausgeführt, einen Anspruch auf Elterngeld habe auch, wer u.a. ein Kind mit dem Ziel der Annahme als Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Das Kind befinde sich nicht in der Adoptionspflege der Klägerin.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie machte geltend, es sei nicht zu erwarten, dass die leibliche Mutter oder der leibliche Vater des Kindes in Zukunft in der Lage seien, die elterliche Sorge auszuüben. Das Pflegeverhältnis sei darauf ausgelegt, dass eine dauerhafte, nicht vorübergehende Beziehung zwischen Kind und Pflegeeltern entstehe. Wenn es in der Bundestagsdrucksache 16/1889 heiße, anspruchsberechtigt seien vorrangig die leiblichen Eltern, seien jedenfalls nachrangig die Pflegeeltern anspruchsberechtigt, wenn ein Obhut- und Pflegeverhältnis zwischen Pflegeeltern und Kind bestehe, nicht aber mehr zwischen Eltern und Kind. Unter diesen Voraussetzungen bestehe auch ein Anspruch auf Krankengeld wegen Kinderpflege für die Pflegeeltern. Die Ziele des Gesetzgebers des BEEG könnten nur so verstanden werden, dass jedenfalls auf Dauer angelegten Pflegeverhältnissen das Elterngeld zuteil werde, und zwar zu Gunsten des Kindes, das in seinen ersten Lebensmonaten durch die Eltern selbst betreut werde. Die Dauerpflegschaft und der damit verbundene Bezug von Unterhaltsleistungen des Jugendamts nach dem SGB VIII ständen der Gewährung von Elterngeld nicht entgegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2008 hat die Bezirksregierung Münster den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, Anspruch auf Elterngeld habe nach § 1 Abs. 1 BEEG unter weiteren Voraussetzungen, wer mit seinem Kind in einem Haushalt lebe. Um ein eigenes Kind der Klägerin handele es sich, wenn sie es geboren oder adoptiert habe (§ 1591 und § 1754 BGB). Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 BEEG sei anspruchsberechtigt auch, wer mit einem Kind in einem Haushalt lebe, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen habe. Angeknüpft werde an die tatsächliche Haushaltsaufnahme mit dem Ziel der rechtlichen Verfestigung dieser Beziehung im Wege der Annahme als Kind gemäß §§ 1741 ff. BGB. Der Beginn der Adoptionspflege sei durch eine Bestätigung des Jugendamtes nachzuweisen. Nach der vorgelegten Bescheinigung des Jugendamtes der Stadt Bielefeld liege eine Adoptionspflege nicht vor.

Mit der am 15.08.2008 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt ergänzend vor, der Annahmewille sei frühzeitig bereits bekundet worden für den Fall, dass dies einmal möglich sein sollte, die leiblichen Eltern mithin ihre Zustimmung erklärten. Es komme nicht darauf an, dass sich das Dauerpflegeverhältnis zugleich materiell-rechtlich bereits als Adoptionspflege im Sinne von § 1744 BGB erwiesen habe. Vielmehr sei darauf abzustellen, ob das Pflegeverhältnis auf Dauer angelegt sei und die Pflegeeltern für den Fall der Möglichkeit der Adoption bereits einen Adoptionswillen gebildet und nach außen bekundet hätten. Der Bescheid begegne grundrechtlichen Bedenken, da es sich um ein faktisches Familienverhältnis handele. Familien, die ein fremdes Kind wie ihr eigenes versorgen, betreuen und erziehen, seien beim Ausschluss vom Elterngeld ohne erkennbare Gründe benachteiligt. Auch die Entscheidung für ein Leben mit einem Pflegekind sei ein Lebensentwurf, dessen Wahl unterstützungswürdig sei. Auch für Pflegeeltern seien Beruf und Familie besser vereinbar, wenn im ersten Lebensjahr bzw. im ersten Jahr nach Einzug des Pflegekindes die Sicherung der Lebensgrundlage durch das Elterngeld unterstützt werde, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung des Kindes kümmerten. Durch die Ungleichbehandlung seien Pflegekinder, die vor allem aus benachteiligten Herkunftsfamil...

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