Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Syndikusrechtsanwalt. Tätigkeitswechsel. rückwirkende Erstreckung der Zulassung auf die neue Tätigkeit. Beginn der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für die neue Tätigkeit frühestens mit dem Eingang des für die neu aufgenommene Tätigkeit gestellten Erstreckungsantrags bei der Rechtsanwaltskammer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mangelt es an einer Festlegung der zeitlichen Wirkung der Erstreckungsentscheidung durch die Rechtsanwaltskammer, sind für deren Feststellung und schließlich die Beurteilung des Vorliegens der Befreiungsvoraussetzungen von der Rentenversicherungspflicht die für die Erstreckung maßgeblichen Rechtsgrundlagen heranzuziehen.

2. Im Zusammenhang mit der Befreiung eines Syndikusrechtsanwalts von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem Tätigkeitswechsel laufen die sozialrechtliche Regelung und die berufsrechtliche Regelung nicht parallel. Wegen der Tätigkeitsbezogenheit entfällt die sozialversicherungsrechtliche Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI automatisch, wohingegen bei einer veränderten Tätigkeit der Status des Syndikusrechtsanwalts bis zum Widerruf der Zulassung nach § 46b Abs 1 und 2 BRAO bestehen bleibt. Wegen § 46b Abs 3 BRAO iVm § 46a Abs 4 Nr 2 BRAO ist der Eingang des Erstreckungsantrags bei der Rechtsanwaltskammer entscheidend für die rückwirkende Zulassungs- bzw Erstreckungsentscheidung. Darauf, dass der Syndikusrechtsanwalt durchweg Kammermitglied war und die Zulassung für die frühere Tätigkeit nicht widerrufen wurde, kommt es für die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht an.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Befreiung der Klägerin als Syndikusanwältin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Zeitraum vom 16. Januar 2018 bis zum 22. Februar 2018.

Die am … August 1982 geborene Klägerin ist seit dem 26. Oktober 2011 als Rechtsanwältin bei der Rechtsanwaltskammer G. zugelassen. Seitdem ist sie auch Mitglied im Rechtsanwaltsversorgungswerk Niedersachsen und zahlt Beiträge zur Altersvorsorge. Seit dem 1. September 2012 ist die Klägerin bei der H. als Syndikusanwältin tätig. Zunächst war sie dort im Risikomanagement Beschaffung eingesetzt. Zum 16. Januar 2018 änderte sich ihr Tätigkeitsbereich, sie wechselte in die Konzern-Rechtsabteilung im Vertriebs- und Vertriebskartellrecht. Die neue Tätigkeitsbeschreibung datiert vom 21./22. Februar 2018. Der ursprüngliche Arbeitsvertrag vom 15./18. Juni 2012 wurde entsprechend ergänzt durch eine neue Vereinbarung vom 27. Februar 2018.

Die Klägerin stellte wegen ihrer Tätigkeit erstmalig einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung am 30. November 2012 (Eingang bei der Beklagten), der infolge der früheren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abgelehnt wurde. Nachdem der Gesetzgeber ab 2016 das Recht der Syndikusanwälte neu geregelt und wieder eine Befreiungsmöglichkeit geschafft hatte, beantragte die Klägerin am 30. März 2016 die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht. Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin geführten weiteren Klageverfahren sind zwischenzeitlich erledigt (Aktenzeichen S 13 R 344/17, S 13 R 329/19 WA). Die Klägerin wurde von der Beklagten rückwirkend ab dem 1. September 2012 von der Versicherungspflicht befreit (Bescheid vom 7. Dezember 2016 - Zeitraum ab 1. April 2014, Bescheid vom 14. Dezember 2021 - Zeitraum vom 1. September 2012 bis 31. März 2014).

Die Klägerin wurde von der Rechtsanwaltskammer G. mit Bescheid vom 6. Juli 2016 und Wirkung ab 18. August 2016 als Syndikusrechtsanwältin zugelassen. Dem Antrag der Klägerin vom 23. Februar 2018 auf Erstreckung dieser Zulassung auf ihre neue seit 16. Januar 2018 ausgeübte Tätigkeit entsprach die Rechtsanwaltskammer mit Bescheid vom 14. Mai 2018, ohne dabei den Zeitraum der Zulassung konkret zu benennen.

Am 19. März 2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht wegen des Tätigkeitswechsels. Mit Bescheid vom 19. Juli 2018 erklärte die Beklagte die Befreiung ab dem 23. Februar 2018 und stellte dabei maßgeblich für den Beginn der Befreiung auf den Eingang des Antrags bei der Rechtsanwaltskammer ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 8. August 2018 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2018 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 20. Dezember 2018 vor dem Sozialgericht Braunschweig erhobene Klage. Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie nahtlos ab Beginn des Tätigkeitswechsels, dem 16. Januar 2018, von der Versicherungspflicht befreit werde müsse. Sie habe den Befreiungsantrag innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der neuen Tätigkeit gestellt. Der Erstreckungsantrag bei der Rechtsanwaltskammer sei keine Befreiungsvoraussetzung. Zudem sei sie durchweg Kammermitglied gewesen. Die p...

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