Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenübernahme für eine Lebendspende (hier: Nierentransplantation). Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 8 Abs 1 S 2 TPG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine deutsche Krankenkasse hat die Kosten für eine Lebendspende (hier: Nierentransplantation) nur dann zu übernehmen, wenn diese nach dem Transplantationsgesetz (TPG) zulässig ist. Dies gilt auch dann, wenn der ärztliche Eingriff nicht in Deutschland, sondern im EU-Ausland (hier: Niederlande) stattfinden soll.

2. Eine Lebendorganspende ist nur dann zulässig, wenn der potentielle Empfänger dem potentiellen Spender "in besonderer persönlicher Verbundenheit" offenkundig nahesteht (§ 8 Abs 1 S 2 TPG). Die Vorschrift begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen,

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Lebendspende-Nierentransplantation.

Der 1961 geborene Kläger leidet seit vielen Jahren an einer Niereninsuffizienz und ist seit Ende 2013 dialysepflichtig. Er ist als Empfänger bei der Organvermittlungsstelle nach dem Transplantationsgesetz vermerkt.

Der in Sierra Leone lebende T. M. (nachfolgend als “Spender„ bezeichnet) ist bereit, dem Kläger eine Niere zu spenden. Zuvor hatte zunächst der Bruder des Spenders, der seit 1999 in Deutschland lebt und den Kläger über ein gemeinsames Engagement für den Verein K. kennt, seine Bereitschaft zur Nierenspende erklärt. Er scheidet aber aus medizinischen Gründen als Spender aus. Der Bruder des Spenders schilderte daraufhin seiner Familie in Sierra Leone den Fall mit der Frage, ob evtl. “einer seiner Geschwister„ für den Kläger spenden wolle. Es folgten mehrere große Familientreffen, bei denen das Thema besprochen wurde und als deren Ergebnis der Spender seine Spendebereitschaft erklärte. Medizinische Untersuchungen des potentiellen Spenders wurden bislang noch nicht durchgeführt.

Am 04.11.2016 fand ein Gespräch des Klägers und des Spenders mit den Mitgliedern der internen Transplantationskonferenz der C. statt. Die Mitglieder der Transplantationskonferenz kamen im Ergebnis einstimmig zu der Meinung, dass die in § 8 Abs. 1 Satz 2 Transplantationsgesetz (TPG) vorausgesetzte besondere persönliche Verbundenheit zwischen Spender und Empfänger nicht gegeben sei und dass sie eine Lebendspende nicht durchführen wollten. Eine Vorlage an die Lebendspendekommission gemäß § 4d des Berliner Gesetzes über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Berliner Kammergesetz) erfolgte nicht. Die Interdisziplinäre Transplantationskonferenz des Universitätsklinikum H. fasste am 30.11.2016 ebenfalls den Beschluss, dass die angebotene Lebendspende des Spenders nicht möglich sei, da die gesetzlichen Grundlagen (persönliche Beziehung zwischen Spender und Empfänger) nicht erfüllt seien. Grundlage des Beschlusses war das von der Uniklinik beigezogene Gesprächsprotokoll der C.

Mit E-Mail vom 22.12.2016 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er mit dem E. Krankenhaus in Rotterdam im Gespräch über die Vornahme einer Nierentransplantation dort sei, und bat er um Bestätigung der Kostenübernahme für seine Behandlung und die Behandlung seines Freundes dort.

Mit Bescheid vom 09.01.2017 lehnte die Beklagte eine Beteiligung an den Kosten der “beantragten Behandlung (Nierentransplantation in den Niederlanden)„ ab. Zur Begründung führte sie u.a. aus, dass eine Kostenübernahme für eine Nierentransplantation in einem deutschen Krankenhaus erst nach Vorliegen einer Befürwortung durch die sogenannte “Ethik-Kommission„ (Kommission Lebendspende) erfolgen könne. Es sei nicht gewährleistet, dass das ausländische Krankenhaus dieser Regelung nachkommen könne, da die Krankenhäuser im Ausland nicht an die deutsche Gesetzgebung gebunden seien.

Der Kläger legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und trug u.a. vor, dass ihm in der C. geraten worden sei, sich für die Nierentransplantation nach Holland zu begeben. Die Klinik “E.„, die eine ausgewiesene und anerkannte Transplantationsklinik in Rotterdam sei, sei bereit, diese Operation durchzuführen, und sei nach dem dortigen nationalen System der Krankenversorgung berechtigt, eine solche Nierentransplantation im Rahmen des niederländischen Versorgungssystems durchzuführen. Es gehe ihm um eine Zustimmung nach § 13 Abs. 5 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Lebendspende lägen vor. Er kenne den Spender über dessen seit ca. 18 Jahren in Berlin lebenden Bruder, mit dem er sich gemeinsam ehrenamtlich für das Projekt S. e.V. in P., wo der Spender wohne, engagiere. In diesem Zusammenhang begleite er den Spender schon seit Jahren. Da es ihm aufgrund seiner Erkrankung und der Abhängigkeit von regelmäßigen Dialysen nicht möglich gewesen sei und auch aktuell nicht möglich sei, den Spender in Afrika zu besuchen, verliefen direkte Kontakte nu...

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