Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeldanspruch. kurzfristige Terminvereinbarung des Versicherten. kein Arzt-Patienten-Kontakt. Verschiebung des rechtzeitigen Arzttermins durch die Arztpraxis wegen hohem Patientenaufkommen. keine krankengeldschädliche Obliegenheitsverletzung des Versicherten

 

Orientierungssatz

Es liegt keine krankengeldschädliche Obliegenheitsverletzung eines Versicherten vor, wenn die Arztpraxis am letzten Tag einer festgestellten Arbeitsunfähigkeit persönlich aufgesucht wird, es jedoch aufgrund eines hohen Patientenaufkommens zu keinem Arzt-Patienten-Kontakt kommt und fälschlicherweise ein späterer Termin vereinbart wird.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.09.2023; Aktenzeichen B 3 KR 11/22 R)

 

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2018 verurteilt, der Klägerin über den 17. Juni 2018 hinaus bis 11. September 2018 Krankengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Es wird festgestellt, dass die Mitgliedschaft der Klägerin nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V über den 17. Juni 2018 hinaus bis 11. September 2018 fortbesteht.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Streitig ist die Weitergewährung von Krankengeld über den 17.06.2018 hinaus.

Die Klägerin, geboren 1966, hatte einen Versicherungsschutz bei der Beklagten vom 01.05.2016 bis 30.04.2018 aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma D1 in U-Stadt. Dieses Arbeitsverhältnis endete am 30.04.2018. Vom 01.05.2018 bis 17.06.2018 bestand der Versicherungsschutz durch die Mitgliedschaft erhaltende Wirkung der Zahlung von Krankengeld. Die Klägerin war am 21.09.2017 arbeitsunfähig erkrankt.

Es lag eine AU-Bescheinigung bis zum 17.06.2018 vor. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 21.06.2018 fest, dass es zur Fortzahlung von Krankengeld erforderlich gewesen wäre, die Arbeitsunfähigkeit spätestens am 18.06.2018 feststellen zu lassen. Vorliegend sei die weitere Feststellung der Arbeitsunfähigkeit jedoch erst am 20.06.2018 erfolgt. Es bestehe daher kein Anspruch auf Krankengeld über den 17.06.2008 hinaus und auch keine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 18.06.2018. Die Arbeitsunfähigkeit müsse lückenlos bescheinigt werden. Für den Anspruch auf Krankengeld komme es ausschließlich auf den Tag der ärztlichen Feststellung an. Eine rückwirkende Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit habe in Bezug auf das Krankengeld keine Relevanz.

Die Klägerin legte ein ärztliches Attest von Herrn Dr. D1 vom 22.06.2018 vor. Dieser teilte mit, dass die Klägerin am 18.06.2018 in seiner hausärztlichen Praxis gewesen sei. Wegen des sehr hohen Patientenaufkommens wurde jedoch fälschlicherweise ein Termin erst für den 20.06.2018 vergeben.

Die Klägerin erhob Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.06.2018 und machte geltend, dass im September 2017 eine Schulteroperation erfolgt sei. In der Folge sei sie arbeitsunfähig geschrieben worden. Am 18.06.2018 habe sie persönlich die Praxis ihres Hausarztes aufgesucht. Ihr sei gesagt worden, dass wegen der vielen Patienten eine Untersuchung erst am 20.06. möglich sei. Dies könne ihr jedoch nicht angelastet werden. Aufgrund der Befunde habe eindeutig festgestanden, dass sie mindestens bis September 2018 arbeitsunfähig sei. Sie habe im Sinne der Rechtsprechung des BSG vom 11.05.2017 alles getan, um eine rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vornehmen zu lassen. Ein Fehler des Arztes dürfe nicht zu Lasten von ihr als Patientin gehen, bei ihr liege kein Verschulden vor. Eine Versagung von Krankengeld wäre treuwidrig. Außerdem sei eine rückwirkende AU-Bescheinigung möglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2018 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Am 18.06.2018 habe kein Arzt-Patientenkontakt stattgefunden. Die Arbeitsunfähigkeit sei erst am 20.06.2018 festgestellt worden, insoweit sei maßgeblich, dass eine Lücke entstanden sei und deswegen auch die Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld endete.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage. Die Klagebegründung entsprach im Wesentlichen der Widerspruchsbegründung. Die Versagung von Krankengeld verstoße gegen Treu und Glauben. Die Klägerin habe rechtzeitig beim Arzt vorgesprochen, dass sie auf den 20.06.2018 verwiesen worden sei, könne ihr nicht angelastet werden. Außerdem handle es sich um eine Dauererkrankung und es sei gesundheitlich keine Änderung eingetreten.

Das Sozialgericht holte einen Befundbericht bei Dr. D1 ein. Dieser teilte mit, dass sich die Beschwerden seit der Schulteroperation im September 2017 nicht wesentlich gebessert hätten.

Auf Nachfrage teilte die Klägerin mit, dass sie der Sprechstundenhilfe am 18.06.2018 gesagt habe, dass sie eine Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit benötige. Wegen der vielen Patienten konnte jedoch kein Untersuchungstermin an diesem Tag vergeben werden, sondern es wurde ein Termin für den 20.06.2018 vergeben. Die Sprechstundenhilfe sei wohl fälschlicherweise der Mein...

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