Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. Unterbrechung. Abweg. entgegengesetzte Richtung. Nachstellenlassen einer Brille. unversicherte Vor- bzw Nachbereitungshandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Nachstellenlassen einer Brille auf dem Nachhauseweg ist unversicherte Vor- bzw Nachbereitungshandlung.

 

Orientierungssatz

Vor- oder Nachbereitungshandlungen zu versicherten Haupttätigkeiten sind nur versichert, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Regelung (zB § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7) diese selbst und eigenständig zu einer versicherten Tätigkeit erhebt oder der jeweilige Versicherungstatbestand nach seinem Schutzzweck auch Vor- und Nachbereitungshandlungen erfasst (zB bei Organspendern oder bei Nothelfern). Aber auch dann werden grundsätzlich nur solche vor- oder nachbereitenden Tätigkeiten tatbestandlich miterfasst, die für die jeweilige tatbestandlich versicherte Hauptverrichtung im Einzelfall notwendig sind und in einem sehr engen sachlichen, zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit ihr stehen (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R = NZS 2013, 351).

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall.

Der 1966 geborene Kläger erlitt am 11. Dezember 2012 multiple Prellungen, eine Distorsion der Halswirbelsäule sowie ein stumpfes Bauchtrauma, als er als Radfahrer von einem Auto angefahren wurde. Zu diesem Zeitpunkt wollte der Kläger von seiner Arbeitsstätte kommend noch ein Brillengeschäft aufsuchen, um seine Brille nachstellen zu lassen, und anschließend weiter nach Hause fahren. Der Unfall ereignete sich unweit des Brillengeschäfts.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27. Mai 2013 die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil sich der Kläger beim Unfall auf einem unversicherten Abweg befunden habe.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2013 zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten am 23. August 2013 Klage zum Sozialgericht Augsburg erheben lassen. Der Abweg habe nicht rein privaten Interessen des Klägers gedient. Der Kläger sei beruflich als Maschinenführer in besonderem Maß darauf angewiesen, dass seine Brille richtig sitzt. Am Unfalltag habe er die Brille nach der Arbeit nachstellen lassen müssen. Da er das Geschäft nicht vor der Arbeit aufsuchen habe könne, habe dies nach der Arbeit erfolgen müssen.

Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört worden.

Für den Kläger wird beantragt (sinngemäß):

Der Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juli 2013 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Unfall des Klägers am 11. Dezember 2012 ein Arbeitsunfall ist.

Für die Beklagte wird beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht macht von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid Gebrauch. Die Beteiligten sind dazu angehört worden, der Sachverhalt ist geklärt und die Sache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Gegenstand der Klage ist bei interessengerechter Auslegung nur das Begehren auf Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG), dass der Kläger am 11. Dezember 2012 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Dem Kläger geht es erkennbar zunächst um die Frage, ob überhaupt ein versicherter Arbeitsunfall vorliegt. Erst dann könnte über etwaige Entschädigungsleistungen entschieden werden. Außerdem hat die Beklagte bislang auch noch keine Entscheidung über konkrete Leistungen getroffen, was Voraussetzung für eine Klage wäre, und es sind auch keine konkreten Entschädigungsleistungen geltend gemacht worden. In diesen Fällen ist zulässiger Gegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens allein der Anspruch auf die Feststellung, dass eine Berufskrankheit vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2004, B 2 U 46/03 R; Urteil vom 2. April 2009, B 2 U 30/07 R).

Mit diesem Inhalt ist die Klage zulässig, sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juli 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls.

Nach § 8 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII regelt, dass auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit versicher...

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