Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistungen. Anspruchseinschränkung. selbst zu vertretende Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Mitursächlichkeit eines durch das BAMF zu verantwortenden Abhandenkommens des Ausweises des Leistungsberechtigten während des Asylverfahrens

 

Orientierungssatz

Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs 3 S 1 AsylbLG kommt nur dann in Betracht, wenn keine außerhalb des Verantwortungsbereichs des Leistungsberechtigten liegenden Sachverhalte mitursächlich für den Nichtvollzug der Abschiebung sind (vgl BSG vom 27.2.2019 - B 7 AY 1/17 R = SozR 4-3520 § 1a Nr 3 RdNr 27). Die Beweislast dafür trägt die Leistungsbehörde.

 

Tenor

Der Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. April 2017 bis zum 31. März 2018 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ohne Anspruchseinschränkung zu gewähren.

Die Bescheide des Beklagten vom 22. März 2017 und 26. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 12. April 2018 werden aufgehoben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Einschränkung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der Kläger beantragte im Oktober 1994 in Deutschland die Anerkennung als Asylberechtigter. Er gab an, liberianischer Staatsbürger zu sein und konnte im Rahmen seiner Anhörung im Asylverfahren auch einige Liberia betreffende Fragen beantworten. Er legte ein Dokument vor, bei dem es sich nach seinen Angaben um einen liberianischen Personalausweis handelte. Dieser Ausweis wurde vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)), Außenstelle M , zur Überprüfung der Echtheit der Grenzschutzdirektion K übersandt. Über den Verbleib und das Ergebnis der Prüfung ist nichts bekannt.

Der Asylantrag des Klägers wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 1. November 1994). Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 16. März 1995; Beschluss Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 28. Mai 1998). Seitdem ist der Kläger in Deutschland geduldet.

Im Oktober 1998 wurde die Vorführung des Klägers in der liberianischen Botschaft angeordnet. Der Kläger erschien dort vor dem Eintreffen der Mitarbeiter der Grenzschutzdirektion und führte das Gespräch allein. Die liberianische Botschaft teilte mit, nicht von der liberianischen Staatsbürgerschaft überzeugt zu sein.

Im März 1999 erfolgte die Vorführung bei einem Vertreter der Botschaft der nigerianischen Botschaft. Nach Mitteilung des begleitenden Mitarbeiters der Grenzschutzdirektion blieb der Kläger bei der Angabe, aus Liberia zu stammen, konnte aber keine der zu Liberia gestellten Fragen beantworten; eine Mitarbeiterin der Botschaft habe die nigerianische Staatsbürgerschaft für möglich gehalten, die Erteilung eines Passersatzdokuments jedoch vor allem aufgrund fehlender Mitwirkung ausgeschlossen. Laut Aktenvermerk weigerte sich der Kläger anschließend, die Antragsformulare der nigerianischen Botschaft auszufüllen.

Der Kläger verwies 2004 auf die bei Asylantragstellung vorgelegte Identitätskarte. 2008 legte er eine schriftliche Erklärung eines O vor, wonach dieser den Kläger vom gemeinsamen Fußballspielen in M kenne. Ferner übersandte er ein liberianisches Dokument über die eidesstattliche Versicherung eines N , er kenne den Kläger seit der

Kindheit und könne bestätigen, dass dieser sei 1963 in M geboren und auch seine Eltern in Liberia geboren seien. Die Ausländerbehörde teilte darauf mit, sie könne die Echtheit nicht prüfen und der Kläger solle sich bei seiner Botschaft um Reisedokumente bemühen.

Der Kläger legte nunmehr eine Bescheinigung der liberianischen Botschaft vor, dass er dort einen liberianischen Pass beantragt habe, dieser jedoch nur vom Außenministerium in Liberia ausgestellt werden könne. Die Ausländerbehörde bat um ein Original der letztgenannten Bescheinigung samt amtlicher Übersetzung. Dem kam der Kläger nicht nach.

Im April 2017 erfolgte erneut die Aufforderung, Antragsformulare der nigerianischen Botschaft auszufüllen. Der Kläger teilte mit, er könne die Formulare nicht ausfüllen, da er kein Nigerianer sei.

Bereits seit August 2000 wurden dem Kläger nur noch eingeschränkte Leistungen nach dem AsylbLG gewährt. Nach entsprechender Anhörung erfolgte die Bewilligung solcher eingeschränkten Leistungen auch für den Zeitraum vom 1. April 2017 bis zum 30. September 2017, und zwar in Höhe eines Barbetrags von 151,00 Euro monatlich sowie Unterkunft, Heizung, Strom und Hausrat als Sachleistung (Bescheid vom 22. März 2017). Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Nach entsprechender Anhörung erfolgte die Weiterbewilligung eingeschränkter Leistungen für den Zeitraum vom 1. Oktober 2017 bis zum 31. März 2018 im bisher...

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