Verfahrensgang

SG Leipzig (Urteil vom 25.02.2000; Aktenzeichen S 10 RA 124/98)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 31.10.2002; Aktenzeichen B 4 RA 16/01 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 25. Februar 2000 und der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 1998 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die beklagte Bundesrepublik Deutschland berechtigt war, das der Klägerin seit Mai 1992 gegen die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zustehende Recht auf Entschädigungsrente nach § 5 des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer des Nationalsozialismus im Beitrittsgebiet (EntschRG) vom 22.04.1992 (BGBl. I S. 906) ab März 1998 auf 700,00 DM zu kürzen.

Die am … geborene Klägerin war vor 1933 Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes und nahm mit Beginn des faschistischen Regimes an der „illegalen Parteiarbeit der KPD” teil. In ihrer Wohnung befand sich eine „illegale Literaturstelle der KPD”. Auf Grund dieser Tätigkeit wurde sie 1935 verhaftet und nach fünf Monaten Untersuchungshaft wegen Vorbereitung zum Hochverrat vom Oberlandesgericht Dresden zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, die sie von Juli 1935 bis 18.10.1936 in der Frauenstrafanstalt Waldheim verbüßte. Nach Kriegsende wurde sie Mitglied der KPD und später der SED; sodann nahm sie zunächst vom 01.06.1948 bis 08.11.1952 eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin beim Rat der Stadt … auf und wechselte am 10.11.1952 als technische bzw. politische Mitarbeiterin in die SED-Kreisleitung …

Vom 01.02.1956 bis 30.11.1966 war die Klägerin als hauptamtliche Mitarbeiterin beim ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit (MfS), zuletzt mit dem militärischen Dienstgrad eines Oberfeldwebels tätig, und zwar vom 01.02.1956 bis 14.07.1963 als operativer Mitarbeiter (Ermittlerin) im Referat II der Abteilung VIII der Bezirksverwaltung der Staatssicherheit in … und ab 15.07.1963 bis zum Ausscheiden aus dem MfS am 30.11.1966 in der Abteilung Kader und Schulung.

Nach den beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) vorhandenen Personalunterlagen und dienstlichen Beurteilungen vom 15.01.1957, 29.06.1959, 19.11.1960, 28.06.1961, 11.04.1963 und 16.03.1965 bearbeitete die Klägerin als Ermittlerin im Referat II der Abteilung III der MfS-Bezirksverwaltung einen Stadtbezirk … sowie einen Teil des Landkreises. Sie führte die Ermittlungen „mit durchschnittlichen Arbeitsergebnissen” selbständig durch. Den Eintragungen zufolge verfügte sie über ein durchschnittliches Netz von Geheimen Informatoren (GI), deren regelmäßige Anleitung sie übernahm (vgl. Beurteilung vom 15.01.1957).

Mit Befehl vom 07.10.1958 wurde die Klägerin vom Feldwebel zum Oberfeldwebel befördert. Nach der Beurteilung vom 29.06.1959 bearbeitete sie zu dieser Zeit als Ermittlerin selbständig den Stadtbezirk … und steuerte sechs GI; eine konspirative Wohnung oder Geheime Hauptinformatoren unterstanden ihr nicht. Nach Einschätzung ihrer Vorgesetzten zeigte die Klägerin in der Werbung von informellen Mitarbeitern (IM) Schwächen, da sie „in dieser Hinsicht nicht schwerpunktmäßig” gearbeitet habe. Insoweit bedürfe sie der ständigen Anleitung. Der dienstlichen Beurteilung vom 19.11.1960 ist zu entnehmen, dass die Klägerin weiterhin einen Stadtbezirk … selbständig bearbeitet habe. Alle dort anfallenden Ermittlungen wurden zu 75 % durch das bestehende inoffizielle Netz erledigt. Wegen ihres angegriffenen Gesundheitszustandes (verminderte Sehkraft) könnten an die Klägerin jedoch keine höheren Anforderungen gestellt werden.

Im April 1961 wurde die Klägerin „von der Zusammenarbeit mit inoffiziellen Mitarbeitern auf Grund ihres Gesundheitszustandes und ungenügender Qualifikation entbunden”. Ihr sei die Aufgabe übertragen worden, „eilige Ermittlungen sowie solche, die nicht durch IM erledigt werden können, durchzuführen”. Wegen des stark angegriffenen Gesundheitszustandes sei „kein voller Arbeitseinsatz gegeben, stärkerer Belastung (könne) sie nicht unterzogen werden” (vgl. Beurteilung vom 28.06.1961). Der Beurteilung vom 11.04.1963 zufolge war die Klägerin als Kommandierte der Abt. III einige Monate in der Ermittlergruppe der Abt. Kader und Schulung eingesetzt. Sie besitze die Qualifikation, Kaderermittlungen selbständig durchzuführen, wobei wegen des Gesundheitszustandes quantitätsmäßige Schwierigkeiten zu berücksichtigen seien. Nach Einschätzung ihrer Vorgesetzten verfügte die Klägerin „über ein durchschnittliches ideologisches Wissen und reiche parteipolitische Erfahrungen, was sie befähigt, die Ermittlungsergebnisse richtig einzuschätzen und schriftlich darzulegen”.

Seit 15.07.1963 war die Klägerin in der Abt. Kader und Schulung als Ermittlerin in der Werbegruppe eingesetzt und bearbeitete Ermittlungsaufträge für andere Bezirksverwal...

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