Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Höhe der Verletztenrente. Mindest-Jahresarbeitsverdienst. Unbilligkeit iS von § 87 SGB 7. ausschließlicher Krankengeldbezug im Zwölfmonatszeitraum. Vergleichsmaßstab. gleichartige Erwerbstätigkeit. Fachverkäufer

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein Versicherter in dem Zwölfmonatszeitraum des § 82 Abs 1 S 1 SGB VII ausschließlich Krankengeld bezogen, liegt ein in erheblichem Maße unbilliger Jahresarbeitsverdienst iS von § 87 S 1 SGB VII vor, wenn der Versicherte vor und nach der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsentgelt aus der gleichen tarifgebundenen Beschäftigung erzielt hat und der Mindestjahresarbeitsverdienst von diesem Arbeitsentgelt mehr als 30 % abweicht.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 2. März 2020 und der Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2019 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 25. März 2010 in der Fassung des Bescheides vom 7. September 2017 abzuändern und dem Kläger ab 1. Januar 2014 eine höhere Verletztenrente unter Berücksichtigung eines von der Beklagten nach billigem Ermessen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts festzusetzenden Jahresarbeitsverdienstes zu gewähren.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) um die Gewährung einer höheren Verletztenrente unter Zugrundelegung eines höheren Jahresarbeitsverdienstes (JAV).

Der 1963 geborene Kläger hat 1981 die Berufsausbildung zum Instandhaltungsmechaniker erfolgreich abgeschlossen. Nach der Wende war er von 1991 bis 1994 als Sanitär- und Heizungsinstallateur und in der Folge mit Unterbrechungen wegen Arbeitslosigkeit als Außendienstmitarbeiter tätig. Seit 2001 war er als Fachverkäufer bei der METRO Cash & Carry Deutschland GmbH (Arbeitgeberin) beschäftigt mit einem Monatsgehalt i.H. von 1.584,33 € und ab Mai 2006 i.H. von 1.611,26 € jeweils zzgl. von Entgelten für Überstunden und Schichtzuschlägen. Von September 2005 bis August 2006 erzielte er Arbeitsentgelt i.H. von insgesamt 21.056,86 €. Am 05.04.2006 erlitt er in Ausübung der beruflichen Tätigkeit eine Prellung im linken Schultergelenk. Ab dem 22.06.2006 begab sich der Kläger wegen Schulterbeschwerden in ärztliche Behandlung und war vom 31.07.2006 bis 02.12.2007 arbeitsunfähig, wobei er bis zum 10.09.2006 Entgeltfortzahlung und ab dem 11.09.2006 Krankengeld i.H. von 35,06 € kalendertäglich und ab 01.07.2007 i.H. von 35,18 € kalendertäglich bezog. Am 03.12.2007 nahm der Kläger seine vormalige Tätigkeit wieder auf und erzielte nunmehr ein Monatsgehalt im Dezember 2007 i.H. von brutto 1.841,95 €, davon steuer- und sozialversicherungspflichtig einen Betrag i.H. von 1.833,97 €, das sich wie folgt zusammensetzte:

 Entgelt:

 1.818,63 €

 Kontoführungsgebühr :

 2,05 €

 vermögensbildender Arbeitgeberanteil

 13,29 €

Daneben erhielt er im Dezember 2007 folgende einmaligen Leistungen:

 Urlaubsgeld:

 528,26 €

 Weihnachtsgeld tariflich:

 90,93 €

 Weihnachtsgeld freiwillig:

 789,51 €

 insgesamt:

 1.408,70 €

Eine im Januar 2008 erfolgte Rückrechnung ergab für den Monat Dezember 2007 noch eine Wechselschichtzulage i.H. von 51,60 € sowie eine Samstagszulage i.H.v. 8,60 €.

Mit Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 27.09.2010 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 05.04.2006 als Arbeitsunfall an, verneinte aber den Zusammenhang mit den in August 2006 und Mai 2007 festgestellten Beschwerden im Schulterbereich.

Am 13.12.2007 blieb der Kläger in der Fischabteilung des Großmarktes Z…. mit einem Fuß an einer Folie hängen und stürzte dabei auf das rechte Handgelenk. Er arbeitete zunächst weiter und stellte sich wegen anhaltender Beschwerden im Handgelenk erstmalig am 30.04.2008 beim D-Arzt vor. Die nachfolgende Arthroskopie (24.07.2008) ergab eine TFCC-Läsion 1 C nach Palmer. Bei ungünstigem Krankheitsverlauf erfolgte am 29.09.2009 eine operative Versteifung des rechten Handgelenks. Nach Durchführung des Feststellungsverfahrens erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 25.03.2010 den Unfall vom 13.12.2007 als Arbeitsunfall an und gewährte dem Kläger ab dem 20.02.2010 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. Bei der Rentenberechnung ging sie von dem Mindest-JAV i.H. von 15.120,00 €, zweimalig angepasst auf 15.803,00 € aus. Nach Entwicklung einer Pseudoarthrose im Carpo-Metacarpale-V-Gelenk gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 07.09.2017 ab dem 01.04.2017 die Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. unter Berücksichtigung eines nunmehr angepassten JAV i.H. von 18.769,71 € ab dem 01.04.2017 und i.H. von 19.443,54 € ab dem 01.07.2017.

Mit am 13.12.2018 eingegangenen Schreiben vom 10.12.2018 beantragte der Kläger unter Vorlage von Verdienstnachweisen für die Mon...

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