Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung aus einem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein. öffentlich-rechtlicher Zahlungsanspruch. Verwaltungsakt. Drittwirkung. Ausschlussfrist. Klageart

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Rechtslage nach § 421g SGB III a.F. (Urteil vom 23. Febraur 2010 – B 11 AL 11/10 R –) gilt für die Neuregelung in § 45 SGB III zum 1. April 2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl I S. 2854) fort. Der private Arbeitsvermittler kann seinen Vergütungsanspruch weiterhin gegen die Arbeitsagentur geltend machen.

Die Ausschlussfrist des § 326 Abs. 1 SGB III ist auf den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 und Satz 3 sowie Abs. 6 SGB III nicht anzuwenden.

 

Orientierungssatz

Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Chemnitz vom 10.3.2016 - L 3 AL 58/14, das vollständig dokumentiert ist.

 

Normenkette

SGB III § 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 3 Nr. 2, Abs. 4 S. 3 Nr. 2, S. 5, Abs. 6-7, § 296 Abs. 4 S. 2, § 326 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, §§ 323, 74, 21; SGB III a. F. § 421g; SGB X § 31 S. 1, §§ 32, 78 Abs. 1 S. 1; SGG § 54 Abs. 1 S. 2

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 27. März 2014 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zahlung der Vergütung aus einem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein für die Beigeladene, hier die Gewährung der ersten Rate in Höhe von 1.000,00 EUR.

Die Klägerin betreibt die private Arbeitsvermittlung V… Personal- und Bildungsberatung. Das Unternehmen wurde am 3. September 2002 von der Zertifizierungsstelle der Bundesagentur für Arbeit als Träger nach dem Recht der Arbeitsförderung für den Fachbereich Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung zugelassen.

Am 31. August 2012 erteilte die Beklagte der Beigeladenen einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein über 2.000,00 EUR gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 7 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III), gültig vom 31. August 2012 bis 30. November 2012 für die Arbeitsvermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Bundesgebiet.

Der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein enthält unter anderem folgenden mit "Nebenbestimmungen" überschriebenen Hinweis:

"… Ausschlussfrist

Die Zahlung der Vermittlungsvergütung (Einlösung des Aktivierungs- und Vermittlungs-gutscheins) ist durch den Träger (private Arbeitsvermittlung) nach erstmaligem Vorliegen der Zahlungsvoraussetzungen zu beantragen. Innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten (§ 326 SGB III) sind die Unterlagen, die für die abschließende Entscheidung über den Umfang der zu erbringenden Leistung notwendig sind, einzureichen. Die Frist beginnt jeweils mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die für die Zahlung geforderte Beschäftigungsdauer erfüllt ist…".

Am 16. August 2012 schloss die Beigeladene mit der Klägerin einen Vermittlungsvertrag.

Am 12. November 2012 bestätigte die H… mit H… L…, dass sie auf Vermittlung der Klägerin mit der Beigeladenen am 27. September 2012 für die Zeit ab 1. Oktober 2012 einen Arbeitsvertrag geschlossen hat.

Am 15. August 2013 beantragte die Klägerin die Zahlung einer Vergütung in Höhe von zunächst 1.000,00 EUR für die Vermittlung des Beigeladenen.

Am 19. September 2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab.

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2013 legte die Klägerin Widerspruch ein, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2013 als unzulässig verworfen wurde. Der Widerspruch sei unzulässig, da er sich nicht gegen einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X richte. Die Unterstützung einer beruflichen Eingliederung durch die Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung sei eine Förderleistung an Arbeitnehmer. Die Förderzusicherung bestehe nur gegenüber dem Arbeitnehmer. Die Bundesagentur stehe in keiner Beziehung zum Träger der privaten Arbeitsvermittlung. Die Entscheidung über die Zahlung bzw. Nichtzahlung der in Rechnung gestellten Vermittlungsvergütung stelle somit keinen Verwaltungsakt gegenüber dem Träger der privaten Arbeitsvermittlung dar.

Am 25. Oktober 2013 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Ihr stünde die erste Rate aus dem Vermittlungsgutschein zu.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. März 2014 die Beklagte unter Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, der Klägerin die erste Rate aus dem Vermittlungsgutschein in Höhe von 1.000,00 EUR zu zahlen. Entgegen der Ansicht der Beklagten handele es sich bei dem Schreiben, mit denen die Anträge auf Auszahlung eines Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines abgelehnt worden sei, um einen Verwaltu...

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