Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltpunkte für Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 und in § 307d SGB 6

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Zusammentreffen von Pflichtbeiträgen wegen Beschäftigung mit Kindererziehungszeiten.

 

Orientierungssatz

1. § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 bewirkt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung (vgl BVerfG vom 29.8.2007 - 1 BvR 858/03 = BVerfGK 12, 81).

2. Auch im Hinblick auf den in § 307d SGB 6 geregelten Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung ist eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nicht ersichtlich.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 8. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung einer höheren Regelaltersrente ab dem 1.4.2016 unter Berücksichtigung höherer Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten neben gleichzeitigen Pflichtbeitragszeiten für eine pflichtversicherte Beschäftigung hat.

Die 1950 geborene Klägerin beantragte am 26.1.2016 bei der Beklagten eine Regelaltersrente (§ 35 SGB VI). Hierauf bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 5.4.2016 eine Regelaltersrente ab dem 1.4.2016. Die Anspruchsvoraussetzungen seien ab dem 28.3.2016 erfüllt. Die Höhe der laufenden Zahlung betrage ab dem 1.4.2016 monatlich 1.636,48 € abzüglich der Beitragsanteile zur Krankenversicherung in Höhe von 119,46 € und zur Pflegeversicherung in Höhe von 38,46 € sowie eines Zusatzbeitrages zur Krankenkasse in Höhe von 18,00 €, mithin monatlich 1.460,56 €. Berücksichtigt worden seien Zeiten der Kindererziehung für Y. (geb. am ….1973) für den Zeitraum 1.8.1973 bis 31.7.1975. Zu berücksichtigen seien persönliche Entgeltpunkte (Ost) bei der Klägerin in Höhe von 60,4984. Davon entfielen insgesamt 1,1852 Entgeltpunkte (Ost) auf die Kindererziehungszeiten. Im Einzelnen stelle sich die Summe der Entgeltpunkte (Ost) wie folgt dar: Die Entgeltpunkte Ost für Beitragszeiten beliefen sich auf 57,9754. Davon entfielen 1,1852 Entgeltpunkte (Ost) auf Kindererziehungszeiten. Hinzu kämen für beitragsfreie Zeiten 2,2296 Entgeltpunkte (Ost) und zusätzlich für beitragsgeminderte Zeiten 0,2934 Entgeltpunkte (Ost), insgesamt 60,4984 Entgeltpunkte (Ost). Dabei begrenzte die Beklagte die zu berücksichtigenden Entgeltpunkte, die sich für Kindererziehungszeiten neben Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung in den Monaten November 1973 bis Dezember 1973, Januar 1974 bis Juli 1974, August 1974 bis Dezember 1974 und Januar 1975 bis Juli 1975 ergaben, auf die Höchstbeträge der Anlage 2b zum Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI), so dass für diese Zeiten die zusätzlichen Entgeltpunkte für Zeiten der Kindererziehung von monatlich 0,0833 Entgeltpunkten reduziert wurden.

Den hiergegen am 22.4.2016 erhobenen Widerspruch, den die Klägerin im Wesentlichen mit der aus ihrer Sicht bestehenden Verfassungswidrigkeit der Begrenzung der Entgeltpunkte für Zeiträume des Zusammentreffens von Kindererziehungszeiten und versicherungspflichtiger Beschäftigung auf den Höchstwert der Anlage 2b zum SGB VI und dem Verweis auf die Ausführungen des Sozialgerichts Neubrandenburg im Beschluss vom 12.01.2012 - S 4 RA 152/03 - begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2.8.2016 zurück. Nach der Rechtsprechung sei eine Begrenzung der errechneten Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten unter Berücksichtigung der Entgeltpunkte für sonstige Beitragszeiten auf die Werte der Anlage 2b zum SGB VI verfassungsgemäß. Die Beklagte verwies hierzu u. a. auf den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.8.2007 - 1 BvR 858/03 - und das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.12.2006 - B 13 RJ 22/05 R -.

Hiergegen hat sich die am 19.8.2016 zum Sozialgericht Dresden erhobene Klage gerichtet, mit der die Klägerin weiterhin begehrt hat, für Zeiten des Zusammentreffens von Pflichtbeiträgen wegen Beschäftigung mit Pflichtbeiträgen wegen Kindererziehung bei Anwendung von § 70 Abs. 2 SGB VI keine Begrenzung der Entgeltpunkte auf die Höchstwerte nach Anlage 2b zum SGB VI vorzunehmen. § 70 Abs. 2 SGB VI i. V. m. der Anlage 2b zum SGB VI sei mit den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Urteil vom 3.4.2001 (1 BvR 1629/94) entwickelten Grundsätzen zur Berücksichtigung von Kindererziehungsleistungen in der Sozialversicherung nicht vereinbar. Das BVerfG habe entschieden, dass es mit Artikel 3 Abs. 1. i. V. m. Artikel 6 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren sei, dass Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen und damit neben dem Geldbeitrag einen generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems leisteten, mit einem gleichhohen Pflegeversicherungsbeitrag, wie Mitglieder ohne Kinder belastet würden. Das BVerfG ha...

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