Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12. eingeschränkte gerichtliche Kontrolle. Vergütungsvereinbarung. Plausibilität der voraussichtlichen Gestehungskosten. externer Vergleich bei tariflich bedingten Personalkostensteigerungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Vergütungsfestsetzung in der Sozialhilfe kann auf die zur Vergütungsfestsetzung in der Pflegeversicherung entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Danach ist in einem ersten Schritt die Plausibilität der voraussichtlichen Gestehungskosten des Leistungserbringers zu prüfen (Plausibilitätskontrolle); diese sind anschließend in einem zweiten Schritt mit den Vergütungen anderer vergleichbarer Leistungserbringer ins Verhältnis zu setzen (externer Vergleich) und müssen dabei in einer angemessenen und nachvollziehbaren Relation zu letzteren stehen.

2. Das Sozialhilferecht bietet nicht nur für einen externen Vergleich in § 75 Abs 2 S 3 SGB 12 einen normativen Anhalt, sondern verlangt auch über den Grundsatz der Leistungsfähigkeit in § 75 Abs 3 S 2 SGB 12 die Berücksichtigung der Gestehungskosten des Leistungserbringers.

3. Der Grundsatz der Leistungsfähigkeit beinhaltet die Leistungsgerechtigkeit der Vergütung und bedeutet insoweit, dass bei der Vergütungsfestsetzung die Gestehungskosten des Leistungserbringers nicht völlig unberücksichtigt bleiben dürfen, soweit sie plausibel dargelegt sind und dem Vergleich mit anderen Leistungserbringern standhalten.

4. Auch die Vergütungsforderungen tarifgebundener Einrichtungen sind dem externen Vergleich mit anderen Einrichtungen zu unterziehen. Der besonderen Bedeutung der Tarifbindung ist aber durch eine nur auf Ausnahmefälle beschränkte Kürzung der Personalaufwendungen Rechnung zu tragen.

5. Sind überdurchschnittlich hohe Personalaufwendungen maßgeblich auf die Häufung individueller tarifrechtlicher Entgeltsteigerungstatbestände zurückzuführen und ist die Reduzierung der Personalkosten rechtlich und tatsächlich ausgeschlossen, scheidet auch eine Kürzung der plausiblen Personalaufwendungen im Wege des externen Vergleiches aus.

6. Die Vergütungsfestsetzung darf nicht zu einer Kürzung oder gar Streichung des in der Leistungsvereinbarung festgeschriebenen Personaleinsatzes führen.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 58.049,12 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Schiedsspruch zur Vergütung von Leistungen der Eingliederungshilfe.

Die Beklagte betreibt zahlreiche Einrichtungen der Behindertenhilfe in S…, darunter auch das Wohnheim “St. C…„ in D…, in dem erwachsene geistig und/oder mehrfach behinderte Menschen sowie Menschen mit einer leichten autistischen Behinderung leben. Gegenwärtig kann die Einrichtung 15 Bewohner aufnehmen, die sämtlich mit externer Tagesstruktur betreut werden. Die Beklagte ist Mitglied im Caritasverband für das Bistum D…-M… e.V. und satzungsmäßig verpflichtet, die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) Caritas (Ost) anzuwenden.

Für das Wohnheim “St. C…„ galt zuletzt eine Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung vom 01.04.2010. Darin waren für die Zeit vom 01.04.2010 bis 30.06.2011 folgende Vergütungssätze festgelegt:

HBG I 

HBG II

HBG III

HBG IV

HBG V 

Gesamtvergütung

39,07 €/BT

48,55 €/BT

58,91 €/BT

69,48 €/BT

79,26 €/BT

davon Maßnahmepauschale

23,34 €

32,82 €

43,18 €

53,75 €

63,53 €

Grundpauschale

10,18 €

Investitionsbetrag

 5,55 €

HBG = Hilfebedarfsgruppe

BT = Betreuungstag

Auf die Aufforderung der Beklagten vom 16.05.2011 verhandelten die Beteiligten für diese Einrichtung die Leistungen und Vergütungen neu. Die Beklagte beantragte - nachdem keine Einigung erzielt worden war - vorsorglich mit Schreiben vom 13.09.2011 bei der beigeladenen Schiedsstelle die Festsetzung der Vergütung. Nach weiteren Verhandlungen erreichten die Beteiligten Einigkeit zu allen Punkten der Leistungsvereinbarung, zum Vereinbarungszeitraum sowie bei der Vergütung zu den Punkten Sachkosten, Investitionsbetrag, Auslastungsgrad, Personalkosten für weitere Mitarbeiter und zu den angesetzten Personalnebenkosten. Offen blieben die Personalkosten für alle Funktionsbereiche. Zwischen den Beteiligten bestand Streit darüber, ob die von der Beklagten beantragte Erhöhung, welche allein auf den für sie verbindlichen tariflichen Lohn- und Gehaltserhöhungen beruhte, wirtschaftlich angemessen sei.

Die Beklagte beantragte daher mit Schreiben vom 11.04.2012 bei der Beigeladenen die Festsetzung der Vergütung für die Zeit vom 18.07.2011 bis 31.12.2011 in folgender Höhe:

HBG I 

HBG II

HBG III

HBG IV

HBG V 

Gesamtvergütung

41,45 €/BT

52,18 €/BT

63,94 €/BT

75,93 €/BT

87,02 €/BT

davon Maßnahmepauschale

26,18 €

36,91 €

48,67 €

60,66 €

71,75 €

Grundpauschale

10,97 €

Investitionsbetrag

 4,30 €

Die Beklagte begründete ihren Antrag mit den ihr im Monat März 2011 entstandenen tatsächlichen Personalkosten, die auf de...

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