1. Allgemeines

 

(1) Der Schwangerschaftsabbruch ist keine Methode zur Geburtenregelung. Daher hat jede Ärztin/jeder Arzt im Rahmen der von ihr/ihm durchzuführenden ärztlichen Beratung der Schwangeren darauf hinzuwirken, dass die Schwangerschaft ausgetragen wird, soweit nicht schwerwiegende Gründe entgegenstehen.

 

(2) Erwägt die Schwangere gleichwohl einen Schwangerschaftsabbruch, ist auf die Möglichkeit öffentlicher und privater sozialer Hilfen für Schwangere, Mütter und Kinder hinzuweisen. Zusätzlich ist die Schwangere über die gesundheitlichen Risiken eines Schwangerschaftsabbruchs zu beraten.

 

(3) Die Ärztin/der Arzt, die/der einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt, muss unabhängig von der Art des Schwangerschaftsabbruchs

2. Nicht rechtswidriger Schwangerschaftsabbruch

Der Schwangerschaftsabbruch darf nur mit Einwilligung der Schwangeren von einer Ärztin/einem Arzt vorgenommen werden, wenn die schriftliche Feststellung einer anderen Ärztin/eines anderen Arztes über die Voraussetzungen einer der nachfolgenden Indikationen vorliegt (§ 218a Abs. 2 und 3 StGB).

 

a)

Medizinische Indikation

Bei Vorliegen einer medizinischen Indikation kann der Schwangerschaftsabbruch ohne zeitliche Begrenzung durchgeführt werden, wenn er unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse notwendig ist, um Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden (§ 218a Abs. 2 StGB).

Die Ärztin oder der Arzt, die oder der die schriftliche Feststellung über das Vorliegen einer medizinischen Indikation zu treffen hat, hat vor der schriftlichen Feststellung die Schwangere über die medizinischen und psychischen Aspekte eines Schwangerschaftsabbruchs zu beraten und über den Anspruch auf weitere und vertiefende psychosoziale Beratung zu informieren. Außerdem sind im Einvernehmen mit der Schwangeren Kontakte zu Beratungsstellen zu vermitteln, soweit dies nicht bereits im Zusammenhang mit der Mitteilung eines pränatal-diagnostischen Befundes gemäß Anlage 1c II. der Mutterschafts-Richtlinien (Mu-RL) geschehen ist (§ 2a Abs. 2 SchKG in Verbindung mit §§ 218a Abs. 2, 218b Abs. 1 StGB).

Für die Feststellung über das Vorliegen einer medizinischen Indikation ist eine schriftliche Bestätigung der Schwangeren über die erfolgte Beratung nach Abschnitt D Nummer 2 Buchstabe a dieser Richtlinie bzw. den Verzicht darauf und sofern ein Befund gemäß Mu-RL Anlage 1c II. festgestellt wurde, auch eine schriftliche Bestätigung der Schwangeren über die erfolgte Beratung nach Mu-RL Anlage 1c II. bzw. den Verzicht darauf, erforderlich.

Die schriftliche Feststellung (Abbruchindikation) darf nicht vor Ablauf von drei Tagen nach Diagnosemitteilung gemäß Mu-RL Anlage 1c II. oder der Beratung nach Abschnitt D Nummer 2 Buchstabe a dieser Richtlinie erfolgen. Dies gilt nicht, wenn die Schwangerschaft abgebrochen werden muss, um eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für Leib oder Leben der Schwangeren abzuwenden (§ 2a Abs. 2 und 3 SchKG).

 

b)

Kriminologische Indikation

Im Falle der kriminologischen Indikation kann ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Schwangerschaftswoche post conceptionem durchgeführt werden, wenn dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass die Schwangerschaft auf einem Sexualdelikt beruht (§ 218a Abs. 3 StGB).

Die Ärztin/der Arzt, die/der den Schwangerschaftsabbruch vornimmt, muss sich durch ärztliche Untersuchung, gegebenenfalls durch Ultraschall, von der Dauer der Schwangerschaft überzeugen (§ 218c Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB).

 

c)

Kostenregelung

Die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche bei medizinischer oder kriminologischer Indikation werden von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen (§ 24b Abs. 1, 2 SGB V).

3. Rechtswidriger, aber straffreier Schwangerschaftsabbruch (sog. "Beratungsregelung")

 

3.1. Voraussetzungen

In besonderen Ausnahmesituationen kann ein Schwangerschaftsabbruch in Betracht kommen, wenn der Schwangeren durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, dass sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt. Wenn die Schwangere in diesem Fall den Abbruch verlangt, kann die Ärztin/der Arzt nach § 218a Abs. 1 StGB einen rechtswidrigen, aber straffreien (tatbestandslosen) Schwangerschaftsabbruch innerhalb von 12 Schwangerschaftswochen post conceptionem durchführen.

Wenn durch Anamnese und klinischen Befund eine Bestimmung des Alters der Schwangerschaft und damit der Frist für einen rechtswidrigen, aber straffreien Schwangerschaftsabbruch mit hinreichender Sicherheit nicht m...

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