Entscheidungsstichwort (Thema)

Rehabilitationsleistung des Rentenversicherungsträgers. stationäre Heilbehandlung für Kinder. Ermessen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Erbringung von Leistungen nach § 31 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 6 (stationäre Heilbehandlung für Kinder) steht im Ermessen des Leistungsträgers. Die Verpflichtung zum Erlass eines bestimmten Verwaltungsaktes ist bei einem Ermessensspielraum nur möglich, wenn das Ermessen ausschließlich in einem bestimmten Sinne ausgeübt werden kann und jede andere Entscheidung fehlerhaft wäre.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Oktober 2009 abgeändert.

Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 15. Mai 2007 auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Kinder unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die am ... 2000 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Kinderrehabilitation.

Am 15. Mai 2007 beantragte die Klägerin über ihren Vater bei der Beklagten eine Maßnahme zur Kinderrehabilitation. Begründet wurde der Antrag mit dem Vorliegen einer Sprachentwicklungsstörung und einer allgemeinen Entwicklungsstörung. Mit Bescheid vom 30. Mai 2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da geeignete Maßnahme eine ambulante logopädische Behandlung am Wohnort der Klägerin sei. Am 6. Juni 2007 erhob die Klägerin Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren lagen ein Befundbericht der Diplomsprach- und Stimmheilpädagogin Kühl vom 11. Juni 2007 und ein ärztliches Attest der Kinderärztin der Klägerin, W., vom 21. Juni 2007 vor. In beiden wurde ausgeführt, dass eine Sprachheilkur dringend angezeigt bzw. notwendig sei. Die Kinderärztin führte aus, dass alle Maßnahmen vor Ort ausgeschöpft seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die Voraussetzungen für die Erbringung einer Kinderrehabilitation nicht vorlägen. Die gesundheitlichen Beschwerden bedürften einer ambulanten fachärztlichen Behandlung.

Am 17. September 2007 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und einen Arztbrief von Dr. Vorwerk, Oberärztin an der Universitätsklinik M., Leiterin des Arbeitsbereiches Phoniatrie/Pädaudiologie, vom 20. September 2007 vorgelegt. Die Beklagte hat vorgetragen, dass bei der Klägerin keine erhebliche Gefährdung der Gesundheit vorliege, die Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit haben könne. Die Erbringung von Leistungen zur Rehabilitation richte sich nach den Gemeinsamen Richtlinien der Träger der Rentenversicherung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) für Kinderheilbehandlungen (KiHB-Richtlinien). Im Allgemeinen erbringe sie nur Leistungen zur Kinderrehabilitation bei schweren chronischen Erkrankungen, die die spätere Erwerbsfähigkeit gefährdeten. Eine solche Erkrankung liege hier nicht vor. Vorrangig und ausreichend sei die langfristige ambulant durchzuführende heilpsychologische Begleitung mit Ergotherapie und Logopädie. Dafür sei die gesetzliche Krankenversicherung zuständig. Das Gericht hat Befundberichte eingeholt (Frau W. vom 15. Dezember 2008 und vom 3. September 2009, Dipl.-Med. S., Fachärztin für HNO-Heilkunde vom 12. Dezember 2008). Außerdem hat die Klägerin eine Kurzeinschätzung der behandelnden Ergotherapeutin Gr. vom 8. Oktober 2009 vorgelegt. Mit Urteil vom 16. Oktober 2009 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide verurteilt, der Klägerin eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Form einer Sprachheilkur zu gewähren. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI vorlägen. Danach könne der Rentenversicherungsträger stationäre Heilbehandlungen für Kinder von Versicherten erbringen, wenn hierdurch voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne. Sämtliche im Verwaltungsverfahren beigebrachten und im Gerichtsverfahren eingeholten Befundberichte und Stellungnahmen bestätigten, dass die Klägerin an einer Sprachentwicklungsstörung und einer allgemeinen Entwicklungsstörung leide. Sie sei nach wie vor sehr stark in ihrer Sprachfähigkeit beeinträchtigt. Die beeinträchtigte Gesundheit könne durch eine stationäre Sprachheilkur voraussichtlich wesentlich gebessert werden. Die Beklagte sei auch zur Gewährung einer Sprachheilkur an die Klägerin verpflichtet. Zwar stehe die Entscheidung im Ermessen der Beklagten, jedoch liege hier ein Fall einer Ermessensreduktion auf Null vor. Einer Verpflichtung der Beklagten stehe auch nicht § 2 KiHB-Richtlinien entgegen. Bei den dort aufgeführten Erkrankungen würden Sprachstörungen nicht ausdr...

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