Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachberechnung von Verletztengeld aufgrund der Gemeinsamen Erklärung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 28. 07. 1998. Krankengeld. Regelentgelt. Einmalzahlungen. Widerspruchsfrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Höhere Gewalt

 

Orientierungssatz

1. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist einem Beteiligten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten.

2. Mit der "Gemeinsamen Erklärung des DGB, der DAG, der BDA und der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung" vom 28. 07. 1998 hat auch die gesetzliche Unfallversicherung als Sozialversicherungsträger sich nach dem Urteil des BVerfG vom 24. Mai 2000 an die Öffentlichkeit gewandt und zugesichert, die vom BVerfG im Hinblick auf die beitragsrechtliche Behandlung von Einmalzahlungen bei dem Bezug von Lohnsteuerersatzleistungen auf gleich liegende Sachverhalte übertragen zu wollen, ohne dass Anträge oder Widersprüche erforderlich seien, vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2000 - 1 BvL 1/98.

3. Ist ein Versicherter durch diese Gemeinsame Erklärung von der Anfechtung eines Verletztengeldbescheides abgehalten worden, so kann ihm für sein Verhalten fehlende Kausalität nur dann entgegen gehalten werden, wenn sich nachweisen lässt, dass dessen Verzicht auf die Anfechtung in seinem konkreten Fall nicht durch die Presseerklärung veranlasst war, vgl. BSG, Urteil vom 25. März 2003 - B 1 KR 36/01 R.

4. Wurde der Versicherte zur Vermeidung des Verwaltungsaufwandes ausdrücklich von weiteren Widersprüchen und Erstattungsanträgen abgehalten, so kann nicht gleichzeitig erwartet werden, trotzdem die nach der Erklärung unnötigen und unerwünschten Rechtsbehelfe zu ergreifen.

5. Holt der Versicherte die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Frist des § 67 Abs. 2 SGG nach Wegfall des Hindernisses nach so ist ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

 

Normenkette

SGB VII § 47 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 1a; SGB V § 47 Abs. 1-2; SGG §§ 67, 77

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des der Klägerin vom 4. August 1998 bis zum 2. Februar 1999 gewährten Verletztengeldes.

Der am 1965 geborenen Klägerin stand im streitigen Zeitraum wegen eines von der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel (Rechtsvorgängerin der Beklagten; nachfolgend einheitlich als die Beklagte bezeichnet) bestandskräftig anerkannten Arbeitsunfalls vom 23. Juni 1998 (Bescheid vom 22. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2000) Verletztengeld zu. Mit einem Schreiben vom 21. August 1998 wies die Beklagte sie u.a. darauf hin, dass das bei unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit zu gewährende Verletztengeld von der zuständigen Krankenkasse im Auftrag des Unfallversicherungsträgers geleistet werde. Auf der Grundlage eines von der Beigeladenen der Klägerin im September 1998 ohne Rechtsbehelfsbelehrung erteilten Bescheides zahlte diese vom 4. August 1998 an bis zum 2. Februar 1999 (180 Tage) Verletztengeld und legte dabei ein von der Klägerin im Bemessungszeitraum vom 1. bis zum 31. Mai 1998 erzieltes kalendertägliches Nettoarbeitsentgelt von 57,27 DM bei einem Regelentgelt von 84,60 DM zugrunde. Bei dieser Berechnung ließ die Beigeladene die der Klägerin zustehenden Ansprüche auf Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld unberücksichtigt.

Mit einem bei der Beigeladenen am 12. Juni 2003 eingegangenen Schreiben beantragte die Klägerin für die Zeit vom 4. August 1998 bis zum 2. Februar 1999 Nachberechnung "des Krankengeldes für die Zahlung des Verletztengeldes-, erhob zugleich Widerspruch gegen den Bescheid der Beigeladenen von September 1998 und begehrte insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung berief sie sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. März 2003 (B 1 KR 36/01 R, SozR 4-1500 § 67 Nr. 1).

Nachdem die Beigeladene den Antrag an sie weitergeleitet hatte, lehnte die Beklagte mit am 30. Juni 2006 zur Post gegebenen Bescheid vom 27. Juni 2003 die Nachberechnung des Verletztengeldes ab und führte aus: Der der Verletztengeldzahlung zugrunde liegende Bescheid sei bereits im September 1999 bindend geworden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitere an der insoweit abgelaufenen Antragsfrist. Auch wenn das Anliegen der Klägerin als Überprüfungsantrag gewertet werde, könne ihm in der Sache jedoch deshalb nicht stattgegeben werden, weil eine Nachberechnung nach dem Gesetz nur zulässig sei, wenn über Ansprüche auf Verletztengeld entweder vor dem 22. Juni 2000 bereits unanfechtbar entschieden gewesen sei und diese über den 21. Juni 2000 hinaus reichten oder erst nach dem 21. Juni 2003 begännen. Bei der Klägerin läge keine dieser Alternativen vor. Die Zahlung habe am 2. Februar 1999 geendet. Das angeführte Urteil des BSG betreffe nur Sachverhalte, in denen zum Zeitpunkt der Abgabe b...

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