Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Notfallbehandlung im Schockraum. Tod des Patienten drei Minuten nach Einlieferung. Fehlen einer nach außen dokumentierten Aufnahme. Vorliegen einer vollstationären Behandlung iSd § 39 Abs 1 S 1 SGB 5. Abgrenzung zur ambulanten Behandlung

 

Orientierungssatz

1. Eine vollstationäre Krankenhausbehandlung im Sinne einer physischen und organisatorischen Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses liegt dann vor, wenn sie sich nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes in der Vorausschau zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Entscheidend ist damit zunächst der Behandlungsplan (vgl BSG vom 4.3.2004 - B 3 KR 4/03 R = BSGE 92, 223-232 = SozR 4-2500 § 39 Nr 1, RdNr 27; BSG vom 28.2.2007 - B 3 KR 17/06 R = SozR 4-2500 § 39 Nr 8 RdNr 16; BSG vom 19.9.2013 - B 3 KR 34/12 R = SozR 4-2500 § 39 Nr 20 RdNr 11).

2. Verstirbt der Patient drei Minuten nach Einlieferung und Durchführung einer Notfallbehandlung im Schockraum eines Krankenhauses, sodass eine nach außen dokumentierte Aufnahme auf eine Station oder die Intensivstation nicht mehr erfolgen konnte, so kann hieraus nicht geschlossen werden, dass eine ambulante Behandlung vorlag (vgl LSG Schleswig vom 24.3.2011 - L 5 KR 50/10 = juris RdNr 26ff; SG Dresden vom 24.2.2005 - S 18 KR 180/02 = juris RdNr 36ff). Auch der Gesichtspunkt, dass die Behandlung sich nicht mehr über die Dauer eines Tages und einer Nacht erstrecken konnte, führt nicht zum Ausschluss einer stationären Behandlung.

3. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil sowie das vorinstanzliche Urteil des SG wirkungslos.

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 26.06.2019 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 780,99 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 02.03.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung einer Krankenhausbehandlung in Höhe von 780,99 € hat.

Die Klägerin ist Trägerin des nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen W-Klinikums, K. Dort wurde der 1966 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte U S (Versicherter) am 20.08.2016 in den Schockraum der Zentralen Notaufnahme (ZNA) durch den Rettungsdienst eingeliefert. Ausweislich des Berichts der Oberärztin D vom 20.08.2016 erfolgte die Einlieferung unter kardiopulmonaler Reanimation. Beim Eintreffen habe sich ein Kammerflimmern gezeigt. Im Elektrokardiogramm (EKG) zeigten sich eine Asystolie   und echokardiographisch ein Herzstillstand. Der Versicherte verstarb noch im Schockraum. Mit Rechnung vom 31.08.2016 forderte die Klägerin von der Beklagten einen Betrag von 780,99 € und legte dabei die Fallpauschale DRG (Diagnosis Related Groups) F60B (akuter Myokardinfarkt ohne invasive kardiologische Diagnostik ohne äußerst schwere CC) zugrunde. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst und veranlasste eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dr. D , MDK, gab in ihrer Stellungnahme vom 06.09.2016 an, zur Beantwortung der Frage nach der „Notwendigkeit der stationären Aufnahme“ sei eine Begutachtung notwendig. Sie stellte die Frage nach der Integration in das stationäre Setting. Die Ärztin im MDK F führte in ihrem Gutachten vom 08.12.2016 aus, der Versicherte sei unter Reanimationsbedingungen mit Kammerflimmern im Krankenhaus eingetroffen, vom Notarzt sei eine präklinische Lyse   erfolgt. Beim Eintreffen im Schockraum habe eine Asystolie   bestanden, es sei der Entschluss zum Einstellen der Reanimation getroffen worden. Der Versicherte sei nicht mehr auf die Intensivstation verlegt worden. Durch den Notarzt seien bereits Katheterlabor , Anästhesie und Schockteam informiert und durch die Klägerin bereitgestellt worden. Bei Asystolie   und insgesamt 90 Minuten Reanimation sei die Reanimation im Krankenhaus nach drei Minuten eingestellt worden. Sie sei unter ambulanten Bedingungen eingestellt worden, der Versicherte sei nicht in das stationäre Setting eingebunden gewesen. Mit Schreiben vom 19.12.2016 bat die Beklagte die Klägerin um Übersendung einer Korrekturrechnung. Die klägerische Klinik (Abteilung Medizin-Controlling) führte in ihrer Stellungnahme vom 22.12.2016 aus, der Aufenthalt sei stationär abzurechnen, da die besonderen Mittel des Krankenhauses notwendig gewesen seien. Bei Ankunft in den Schockraum hätten das komplette Anästhesie-Team, das Herzkatheterlabor -Team sowie das Anästhesie-Pflege-Team bereitgestanden, um den Versicherten adäquat medizinisch zu versorgen. Die Angehörigen seien im ausführlichen Gespräch seitens der Ärzte über das Versterben des Versicherten informiert und vom Pflegepersonal in dieser Situation weiter betreut wo...

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