Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenberechnung. Vorausbescheinigung. Hochrechnung nach § 194 Abs 1 SGB 6. zu berücksichtigende Einnahmen. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen eines Verfahrens der Vorausbescheinigung nach § 194 SGB 6 hat der Rentenversicherungsträger gemäß § 194 Abs 1 S 3 SGB 6 die voraussichtlichen beitragspflichtigen Einnahmen des Versicherten bis zum Rentenbeginn bis zu drei Monaten nach den in den letzten zwölf Kalendermonaten gemeldeten beitragspflichtigen Einnahmen zu errechnen. Zu diesem Zweck darf der Rentenversicherungsträger - soweit die Hochrechnung Zeiträume einbezieht, die neben anderen Zeiträumen von einer Gesamtmeldung von Einkünften (Jahresmeldung) erfasst sind - für die in die Rentenberechnung einzubeziehenden Zeiträume nicht ohne weiteres auf Einkommensdurchschnittswerte zurückgreifen, die auf der Grundlage der Gesamtmeldung errechnet wurden. Maßgebend für nicht einzeln gemeldete Zeiträume können nur die in diesen Zeiträumen tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen des Versicherten sein. Liegen entsprechende Einzelmeldungen nicht vor, sind diese vom Rentenversicherungsträger einzuholen.

2. Allein eine Divergenz zwischen den tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen und den durch Hochrechnung ermittelten beitragspflichtigen Einnahmen zwingt aus Gründen des Verfassungsrechts (Art 3, 14 GG) nicht zu einer Neuberechnung der Rente auf der Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen (§ 70 Abs 4 S 2 SGB 6; Abgrenzung zu BSG vom 16.11.1995 - 4 RA 48/93 = BSGE 77, 77 = SozR 3-2200 § 1401 Nr 1).

3. Eine Rücknahme des Antrags auf Durchführung eines Verfahrens der Vorausbescheinigung nach § 194 Abs 1 S 1 SGB 6 ist bis zur Bestandskraft des Rentenbescheides möglich.

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Speyer vom 18.05.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auf für das Berufungsverfahren.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, welches Arbeitsentgelt für das 4. Kalendervierteljahr 2009 der Berechnung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu Grunde zu legen ist.

Der Kläger war sozialversicherungspflichtig bei der Firma R. GmbH/M. (Firma R) beschäftigt. Mit Bescheid vom 23.06.2003 erkannte ihm das Amt für soziale Angelegenheiten einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 zu. Der Kläger schloss am 20.11.2003 mit der Firma R eine Altersteilzeitvereinbarung für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis einschließlich 31.12.2009 ab. Danach sollte die Arbeitsphase vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2006 dauern (Ziffer 2.4. der Altersteilzeitvereinbarung).

Der Kläger beantragte am 01.09.2009 bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen für die Zeit ab dem 01.01.2010. Im Rahmen der Rentenantragstellung unterzeichnete der Kläger am 01.09.2009 eine Erklärung folgenden Inhalts: "Ich willige ein (sofern ich im Abschnitt beitragspflichtige Einnahmen nichts anders bestimmt habe), dass der Rentenversicherungsträger zur Beschleunigung des Rentenverfahrens frühestens drei Monate vor Rentenbeginn eine Meldung der beitragspflichtigen Einnahmen für abgelaufene Zeiträume vom Arbeitgeber anfordert, für den weiteren Zeitraum ggf. bis zum Rentenbeginn die entsprechenden voraussichtliche beitragspflichtigen Einnahmen (maximal für drei Monate) hochrechnet und diese der Rentenberechnung zu Grunde legt." Das Formular enthielt dazu den Hinweis, dass kurzfristige Unterbrechungen der Beschäftigung im letzten Jahr von weniger als einem Kalendermonat sowie Sonderzahlungen in den letzten Monaten bis zum Rentenbeginn, die über die regelmäßigen Einmalzahlungen (wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) hinausgingen, bei der Hochrechnung der Arbeitsentgelte nicht berücksichtigt werden könnten. Sollten die tatsächlichen beitragspflichtigen Einnahmen von den hochgerechneten Beiträgen abweichen, könnten diese erst bei einer später zu zahlenden Rente berücksichtigt werden.

Die Beklagte berechnete zur Vorbereitung des Rentenbescheides das der Rentengewährung zu Grunde zu legende Arbeitsentgelt aus dem Zeitraum vom 01.10.2009 bis zum 31.12.2009 auf einen Betrag in Höhe von 13.542,00 €. Die Beklagte zog dazu das "Bruttoarbeitsentgelt" aus dem Zeitraum vom 01.10.2008 bis zum 30.09.2009 in Höhe von 54.169,75 € heran. Dieser Betrag setzte sich aus einem errechneten "Bruttoarbeitsentgelt" für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis zum 31.12.2008 i.H.v. 14.141,75 € und aus einem vom Arbeitgeber für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.09.2009 gemeldeten Betrag i.H.v. 40.028,- € zusammen. Das "Bruttoarbeitsentgelt" für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2008 hatte die Beklagte in der Weise berechnet, dass sie das vom Arbeitgeber gemeldete Gesamteinkommen für das Jahr 2008 i.H.v. 56.567,- € durch 12 Monate dividierte und diesen Quotienten anschließend für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2008 mit drei (Monaten) multiplizierte (= 56.567,- € x 3/12...

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