Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiwillig Krankenversicherter. Beitragsbemessung. Sozialhilfeempfänger. fiktive Mindesteinnahmen. pauschalierende Satzungsregelung. Zulässigkeit

 

Orientierungssatz

Die für die Beitragsbemessung freiwillig versicherter Sozialhilfeempfänger gewählte Bezugnahme auf die statistisch ermittelte durchschnittliche Haushaltsgröße von Sozialhilfebeziehern (vgl BSG vom 23.11.1992 - 12 RK 27/92 = SozR 3-2500 § 240 Nr 10) als Festlegung fiktiver Mindesteinnahmen in einer die Regelung nach § 240 Abs 4 SGB 5 überschreitenden Höhe ist unzulässig (vgl BSG vom 15.9.1992 - 12 RK 51/91 = SozR 3-2500 § 240 Nr 9).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des freiwilligen Krankenversicherungsbeitrags der Klägerin seit 1.1.1997.

Die 1944 geborene Klägerin bezieht von der Beigeladenen laufend Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Bis Ende 1996 erfolgte die Beitragseinstufung auf der Grundlage der Mindestbeitragsbemessungsgrenze nach § 240 Abs 4 S 1 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V).

Mit Wirkung vom 1.1.1997 änderte die Beklagte ihre Satzung und legte nunmehr der Beitragsbemessung freiwillig versicherter Sozialhilfeempfänger den 4-fachen Betrag des monatlichen Sozialhilfesatzes Rheinland-Pfalz für Haushaltsvorstände/Alleinstehende zugrunde (§ 22 Abs 2 Buchst f nF der Satzung, Bl 36 f Prozessakte). Unter Zugrundelegung dieser Regelung setzte die Beklagte mit Bescheid vom 15.1.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.6.1997 den ab 1.1.1997 von der Klägerin zu zahlenden freiwilligen Krankenversicherungsbeitrag auf monatlich 262,-- DM (Mindestbeitrag 173,44 DM) fest, der sich ab Juli 1997 auf 265,68 DM (Mindestbeitrag zunächst weiterhin 173,44 DM, ab Januar 1998 177,12 DM und ab Januar 1999 180,82 DM), ab Juli 1999 auf 282,52 DM (Mindestbeitrag 189,64 DM, ab Januar 2000 193,50 DM) erhöhte, ohne dass über diese Erhöhungen gesonderte Bescheide ergingen. Den Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung für die Klägerin setzte die Beklagte ab Januar 1997 auf 36,22 DM (Mindestbeitrag 23,98 DM), ab Juli 1997 auf 36,72 DM (Mindestbeitrag weiterhin 23,98 DM) und ab Januar 1998 auf 37,24 DM (Mindestbeitrag ab Januar 1998 24,48 DM, ab Januar 1999 25,-- DM und ab Januar 2000 25,50 DM) fest.

Auf die hiergegen am 10.7.1997 erhobene Klage hat das Sozialgericht Koblenz (SG) durch Urteil vom 19.1.1999 die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich der Regelung des Pflegeversicherungsbeitrages seien die Bescheide bereits formell rechtswidrig, weil der Beklagten als Krankenversicherungsträger für diese Entscheidung die formelle Zuständigkeit gefehlt habe. Bezüglich der Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge seien die Bescheide der Beklagten rechtswidrig, weil die zugrunde liegende pauschalierende Satzungsneuregelung mit § 240 SGB V unvereinbar sei. Die Beklagte sei nicht befugt, in ihrer Satzung die beitragspflichtigen Einnahmen für alle freiwillig versicherten Sozialhilfeempfänger unabhängig von der jeweiligen tatsächlichen Bezugshöhe fiktiv oberhalb der Mindesteinnahmen des § 240 Abs 4 Satz 1 SGB V festzulegen.

Gegen das ihr am 28.1.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.2.1999 Berufung eingelegt, mit der sie sich gegen die Aufhebung ihrer Bescheide wendet, soweit diese die Höhe des Krankenversicherungsbeitrags regeln; hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Beklagte macht geltend, angesichts der besonders schwierigen Ermittlung der beitragspflichtigen Einnahmen von Sozialhilfeempfängern und der Untätigkeit des Gesetzgebers, der die nach Art 28 Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) ab 1.1.1997 vorgesehene Einbeziehung der Sozialhilfeempfänger in die Krankenversicherungspflicht unter Regelung der Beitragsbemessung nicht umgesetzt habe, sei in Verhandlungen mit den überörtlichen Sozialhilfeträgern anfänglich weitgehende Übereinstimmung erzielt worden, dass eine Orientierung am 4-fachen des Sozialhilferegelsatzes für den Haushaltsvorstand angemessen sei. Grundlage hierfür sei die vom Deutschen Landkreistag bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 1,8 Personen mitgeteilte durchschnittliche Höhe der monatlichen Sozialhilfeleistungen, die in etwa dem 4-fachen des Eckregelsatzes entspreche. Nachdem letztlich eine Vereinbarung auf dieser Basis mit den Sozialhilfeträgern jedoch nicht zustande gekommen sei, habe sie die Regelung in ihrer Satzung getroffen und zwar einheitlich nicht nur für die in Heimen und Anstalten untergebrachten Sozialhilfeempfänger, sondern für alle freiwillig versicherten Bezieher von Sozialhilfe. Auch für die nicht in Heimen untergebrachten Sozialhilfeempfänger treffe nämlich die Einnahmeberechnung wegen der häufigen Zahlungsänderungen durch einmalige Beihilfen, Bekleidungshilfen, Nebenkosten- und Mieterhöhungen, Änderungen der persönlichen Verhältnisse und anderen Umständen au...

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