Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Einkommenseinsatz. Motivationszuwendung für Arbeitstraining. keine zweckbestimmte Leistung. keine Zuwendung. Verbände der freien Wohlfahrtspflege. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die für ein Arbeitstraining gezahlte Motivationszuwendung ist Einkommen iS des § 82 Abs 1 SGB 12.

2. Die Motivationszuwendung ist weder gem § 83 Abs 1SGB 12 als zweckbestimmte Leistung anrechnungsfrei, da diese Leistung nicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften gezahlt wird, noch handelt es sich um eine "Zuwendung" nach § 84 Abs 1 SGB 12, wenn die Zahlung eine Gegenleistung voraussetzt.

3. Zum Begriff der Verbände der freien Wohlfahrtspflege.

4. Die Motivationszuwendung ist mit dem Entgelt aus einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen iS des § 83 Abs 3 S 2 SGB 12 vergleichbar, das als Einkommen angerechnet wird. Eine abweichende Behandlung verstößt gegen Art 3 Abs 1 GG.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.02.2013; Aktenzeichen B 8 SO 12/11 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.07.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß §§ 41 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der 1968 geborene Kläger bewohnt zusammen mit seinem 1960 geborenen eingetragenen Lebenspartner M N eine Mietwohnung. Der Kläger leidet an einer seelischen Erkrankung und musste sich deshalb seit dem Jahr 2001 vier fachpsychiatrischer Krankenhausbehandlungen unterziehen. Nach einer gutachterlichen Stellungnahme des Chefarztes des St. W-Hospitals in S vom 25.11.2005, in dem der Kläger während der vierten stationären Behandlung untergebracht war, leidet der Kläger an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose mit Wahnvorstellungen und chronischem Cannabisabusus. Ausdauer, Belastbarkeit und Konzentrationsfähigkeit des Klägers sind nach der gutachterlichen Stellungnahme deutlich herabgesetzt. Vor dem letzten stationären Krankenhausaufenthalt im Oktober/November 2005 hatte sich der Kläger in selbstschädigender Absicht verletzt; er hatte angegeben, er müsse sich als Prüfung Gottes ständig auf den Kopf stürzen. Aufgrund der Erkrankung des Klägers und entsprechend der Empfehlung in der gutachterlichen Stellungnahme bestellte das Amtsgericht C mit Beschluss vom 13.02.2006 einen gesetzlichen Betreuer für den Kläger für die Dauer von fünf Jahren.

Mit Schreiben vom 24.06.2006 teilte die Deutsche Rentenversicherung Westfalen der Beklagten auf ihr Überprüfungsersuchen gemäß § 45 SGB XII mit, dass der Kläger seit dem 23.10.2005 dauerhaft voll erwerbsgemindert gemäß § 41 SGB XII sei.

Der Kläger bezieht seit dem Jahr 2006 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß §§ 41 ff. SGB XII von der Beklagten. Seit dem 21.08.2006 nimmt der Kläger am Arbeitstraining für psychisch Kranke der I gGmbH in S teil. Die Entfernung zwischen der Wohnung des Klägers und dem Sitz der I gGmbH beträgt etwa 5 bis 6 Kilometer (einfache Strecke). Die I gGmbH ist ein Spezialhersteller von Körnerkissen bzw. Wellnessprodukten und ein Integrationsunternehmen für behinderte Menschen sowie ein Unternehmen der G e.V. S. Der Förderverein G e.V. ist eine Interessengemeinschaft der Angehörigen und Freunde psychisch kranker Menschen. Nach Auskunft des Finanzamtes C1 vom 27.04.2005 werden die behinderten Menschen bei der I gGmbH überwiegend zur Rehabilitation sowie zu therapeutischen und sozialen Zwecken und weniger zur Erzielung eines produktiven Arbeitsergebnisses beschäftigt.

Der Kläger erhielt für die Teilnahme an dem Arbeitstraining eine so genannte Motivationszuwendung. Ihre Höhe hing davon ab, in welchem Umfang der Kläger an dem Arbeitstraining teilnahm. In der Zeit vom 21.08.2006 bis zum 03.01.2007 betrug sie insgesamt 324,80 EUR. Nach den Bescheinigungen der I gGmbH zahlte sie im Einzelnen folgende Motivationszuwendungen an den Kläger:

14. Kalenderwoche in 2007: 2.-8. April = 16,00 EUR Motivationszuwendung

15. Kalenderwoche in 2007: 9.-15. April = 20,80 EUR Motivationszuwendung

16. Kalenderwoche in 2007: 16.-22. April = 3,20 EUR Motivationszuwendung

17. Kalenderwoche in 2007: 23.-29. April = 14,40 EUR Motivationszuwendung

23.-26. Kalenderwoche in 2007: 4. Juni - 1. Juli = 9,60 EUR Motivationszuwendung

27.-31. Kalenderwoche in 2007: 2. Juli - 5. August = 61,60 EUR Motivationszuwendung

32.-35. Kalenderwoche in 2007: 6. August - 2. September = 47,20 EUR Motivationszuwendung

36.-39. Kalenderwoche in 2007: 3. - 30. September = 46,40 EUR Motivationszuwendung

40.-44. Kalenderwoche in 2007: 1. Oktober - 4. November = 42,80 EUR Motivationszuwendung

10.-13. Kalenderwoche in 2008: 3. - 30. März = 50,40 EUR Motivationszuwendung

Datum: April 2008 = 88,40 EUR Motivationszuwendung

Die Zahlung der Motivationszuwendung erfolgte nach den Bescheinigungen der I gGmbH "f...

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