Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Mietkautionsdarlehens. Tilgung durch Aufrechnung. beschränkte Anwendung des § 42a Abs 2 SGB 2 auf vor dem 1.4.2011 gewährte Darlehen. unechte Rückwirkung. Vertrauensschutz. verfassungskonforme Auslegung

 

Orientierungssatz

Unter verfassungskonformer Auslegung ist die Vorschrift des § 42a Abs 2 S 1 SGB 2 über die Tilgung von Darlehen durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des maßgeblichen Regelbedarfs auf vor dem 1.4.2011 gewährte Mietkautionsdarlehen, für die nach ursprünglicher Vereinbarung erst zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses eine Pflicht zur Rückzahlung besteht, nicht anzuwenden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.06.2015; Aktenzeichen B 14 AS 28/14 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.06.2013 abgeändert. Der Bescheid vom 15.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2012 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Tilgung eines Mietkautionsdarlehens durch monatliche Aufrechnung gegen den Leistungsanspruch nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Der im Jahr 1968 geborene Kläger stellte am 13.08.2009 bei dem Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Zu diesem Zeitpunkt war er ohne eine eigene Wohnung und kam vorübergehend in einem Gästezimmer eines Bekannten unter. Dabei gab er an, Vermögen in Form verschiedener Lebensversicherungen zu besitzen und über ein Guthaben von ca. 5200 EUR auf seinem Girokonto verfügen zu können. Mit Bescheid vom 09.10.2009 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers zunächst für die Zeit bis zum 30.11.2009 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit (Überschreitung der Vermögensfreigrenzen) ab. Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag bewilligte er für die Zeit ab 01.12.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i.H.v. 480,28 EUR.

Am 13.11.2009 schloss der Kläger mit Zustimmung des Beklagten einen Mietvertrag über eine Mietwohnung in L ab. Mietbeginn war der 01.12.2009. Ausweislich § 24 des Mietvertrages war an den Vermieter eine Mietkaution i.H.v. 540,00 EUR zu zahlen. Der Kläger beantragte am 19.11.2009 im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei dem Beklagten die Gewährung eines Darlehens zur Zahlung der Mietkaution. Er erklärte, aufgrund seiner Einkommenssituation nicht in der Lage zu sein, die Kaution in Raten an den kommunalen Träger zurückzuzahlen und schloss mit dem kommunalen Träger (Stadt L) eine Abtretungsvereinbarung hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs der Kaution gegenüber dem Vermieter für den Fall der Beendigung des Mietverhältnisses. Mit Bescheid vom 30.11.2009 gewährte der Beklagte dem Kläger ein Darlehen i.H.v. 540,00 EUR nach § 22 Abs. 3 SGB II in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung für die Mietkaution und überwies den Betrag unmittelbar an den Vermieter des Klägers. Hinsichtlich der Rückforderung des bewilligten Darlehens wurde dem Kläger ein gesonderter Bescheid angekündigt.

Nach vorheriger Anhörung des Klägers forderte der Beklagte den Darlehensbetrag mit Bescheid vom 10.05.2010 zurück. Diesen Bescheid übersandte der Beklagte dem Kläger erneut mit Schreiben vom 20.12.2010, da der Kläger diesen Bescheid nach eigenen Angaben nicht erhalten habe. Darüber hinaus teilte der Beklagte mit, dass er seine Forderung bis zum 31.10.2011 zurückstelle. Mit Schreiben vom 15.03.2012 wandte der Beklagte sich unter dem Betreff "Aufrechnung nach § 42 a SGB II" an den Kläger und informierte ihn darüber, dass die Stadt L Rückzahlungsansprüche bezüglich des mit Bescheid vom 30.11.2009 gewährten Kautionsdarlehens geltend mache. Ab dem 01.04.2012 werde eine Rate i.H.v. 37,40 EUR von den Leistungen des Klägers einbehalten und zwecks Tilgung an die Stadt L überwiesen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt dieses Schreiben nicht. Der Kläger wandte unter Bezugnahme auf die vorgenommene Aufrechnung und unter Hinweis auf seine Lebensumstände ein, dass er allenfalls eine monatliche Rate von 20,00 EUR zur Rückzahlung des Darlehens aufbringen könne. Darüber hinaus legte er am 17.04.2012 gegen die Aufrechnung Widerspruch ein. Es komme zu einer unrechtmäßigen Vermischung der Darlehensforderung des kommunalen Trägers mit den Leistungen des Bundes und damit einhergehend zu einer verfassungswidrigen Kürzung der Leistungen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2012 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Das SGB II schreibe zwingend vor, dass eine Kaution als Darlehen zu bewilligen sei. Mit der gesetzlichen Regelung des § 42 a SGB II würden die Rückzahlungsansprüche aus Darlehen geregelt. Mit der Tilgung des Darlehens i.H.v. 10 % der Regelleistung sei das Existenzminimum nicht gefährdet.

Mit der am 11.12.2012 beim Sozialgericht Köln (SG) erhobenen...

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