Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Hinterbliebenenleistung wegen Berufskrankheit des Versicherten

 

Orientierungssatz

1. Beim Anspruch auf Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die als Folge einer anerkannten Berufskrankheit des Versicherten geltend gemacht wird, stellt dessen Tod keinen eigenen Versicherungsfall dar. Dieser ist vielmehr der ultimative Folge- und Spätschaden eines Versicherungsfalles.

2. Für die Annahme des Versicherungsfalles ist es nicht entscheidend, dass es an einer positiven bestandskräftigen Entscheidung des Versicherungsträgers bisher fehlt.

3. Die Rückwirkungsvorschrift des § 6 Abs. 2 BKV schließt es nicht aus, für Versicherungsfälle außerhalb des Rückwirkungszeitraums zu entschädigen, wenn bei Inkrafttreten der BKV am 1. 12. 1997 bereits ein Antrag auf Hinterbliebenenleistungen gestellt worden ist und die Voraussetzungen für eine Entschädigung einer einschlägigen Krankheit als "Wie-BK" an sich gegeben sind.

4. Ob die Verursachung des Todes eines Versicherten infolge eines Versicherungsfalles festgestellt werden kann, entscheidet sich bei bestehender Kausalität danach, ob die BK selbst und nicht eine andere, davon unabhängige Ursache, die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Todes bildet.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 12.08.1998 wird geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.1997 verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen nach Maßgabe der weiteren gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Hinterbliebenleistungen wegen einer Berufskrankheit (chronische obstruktive Bronchitis oder das Emphysem/ Nr 4111 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV)).

Die Klägerin ist die Witwe des am 00.00.1928 geborenen und am 00.06.1983 verstorbenen L T (Versicherter). Der Versicherte wurde im Jahre 1947 im deutschen Steinkohlenbergbau angelegt und kehrte im Jahre 1979 ab. Er war unter Tage tätig.

Die Beklagte lehnte (erstmals) mit Bescheid vom 26.04.1985 die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen an die Klägerin ab. Im anschließenden Klageverfahren (Sozialgericht Duisburg, S 3 BU 71/85) gelangte Prof. X zu der Auffassung, dass der Versicherte wahrscheinlich an den Folgen eines Rechtsherzversagens (Cor pulmonale) verstorben sei. Dieses Herzleiden sei durch eine chronische Emphysembronchitis bedingt gewesen. Die festgestellten leichtgradigen silikotischen Veränderungen seien keine Teilursache bezüglich der Emphysembronchitis und der damit einhergehenden Rückwirkung auf das rechte Herz (Gutachten vom 24.10.1985). Der Staatliche Gewerbearzt wies unter dem 08.04.1986 darauf hin, dass die chronische obstruktive Bronchitis nach der BKV keine Berufskrankheit sei und eine Anerkennung im Sinne des § 551 Abs 2 RVO entfalle, weil hinsichtlich dieser Erkrankung und insbesondere ihrer Verursachung neuere wissenschaftliche Erkenntnisse nicht vorlägen. Die Beklagte lehnte unter Hinweis auf diese Stellungnahme einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen aus Anlass des Todes des Versicherten (erneut) ab. Der Versicherte sei nicht an einer Krankheit im Sinne des § 551 Abs 2 RVO verstorben (Bescheid vom 05.06.1986). Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Im anschließenden Klageverfahren (SG Duisburg S 4 BU 192/86) erstattet Prof. Dr. H ein Sachverständigengutachten. Er stellte u.a. fest, dass der Versicherte an einer schweren Emphysembronchitis gelitten habe (Gutachten vom 28.10.1987). Die Klägerin nahm die Klage zurück, beantragte jedoch zugleich die Überprüfung, ob der Tod des Versicherten doch auf eine Silikose zurückzuführen sei. Die Beklagte lehnte eine Rücknahme des Bescheides vom 26.04.1985 ab (Bescheid vom 12.04.1988). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Die Klägerin beantragte sodann am 22.01.1996 erneut die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen. Zur Begründung führte sie aus, dass der Versicherte an den Folgen einer Emphysembronchitis verstorben sei. Die Emphysembronchitis sei als Quasi-Berufskrankheit (BK) anzuerkennen. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) stellte eine kumulative Dosis von 147,4 Feinstaubjahren fest. Nachdem die Beklagte Gesundheitszeugnisse und Lungenfunktionsbefunde beigezogen hatte, stellte Prof. Dr. S fest, dass der Versicherte zu Lebzeiten unter einer sich progredient entwickelnden schweren chronischen obstruktiven Emphysembronchitis in Verbindung mit einem Cor pulmonale gelitten habe, diese Leiden seien mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Feinstaubbelastung unter Tage zurückzuführen. Es handele sich um eine BK im Sinne der Empfehlung des ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 04.04.1995. Die chronische obstruktive Bronchitis/Emphysem sei wesentliche Mitursache des Todes gewesen (Stellungnahme vom 14.08.1996, die den Eingangsstempel der Beklagten vom 12.08.199...

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