Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente nach § 243 Abs. 2 SGB 6 setzt u. a. voraus, dass die Witwe im letzten Jahr vor dem Tod ihres geschiedenen Ehemannes von diesem Unterhalt oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch auf Unterhalt hatte.

2. Unter dem letzten wirtschaftlichen Dauerzustand ist der Zeitraum zu verstehen, in welchem die wirtschaftlichen Verhältnisse jeweils dauerhaft und stabil gewesen sind, vgl. BSG, Urteil vom 25. Februar 2010 - B 13 R 147/08 R.

3. Ist die Ehe vor dem Inkrafttreten des 1. EheRG am 1. 7. 1977 geschieden worden, so hat ein geschiedener Ehegatte nach § 60 EheG nur dann einen Anspruch gegen seinen früheren Ehepartner, wenn er vor dem Tod des Versicherten nicht bedürftig i. S. von § 60 EheG war.

4. Der Anspruch nach § 60 EheG gewährt nur einen Beitrag zum Unterhalt nach Billigkeitsgesichtspunkten. Stand der geschiedenen Ehefrau eigenes Einkommen in Höhe von wenigstens dem Selbstbehalt des Versicherten zum Unterhalt zur Verfügung, so konnte sie sich i. S. von § 60 EheG selbst unterhalten. Dies hat zur Folge, dass ein Anspruch auf Gewährung von Witwenrente ausgeschlossen ist, vgl. BSG, Urteil vom 16. Juni 2001 -  4 RA 37/00 R.

 

Normenkette

SGB VI § 243 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 1; EheG § 60

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.01.2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auch im zweiten Rechtszug. Weitere Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist Witwenrente an geschiedene Ehegatten (sog. Geschiedenenwitwenrente).

Die 1938 geborene Klägerin war von 1958 bis 1973 mit dem am 00.00.1935 geborenen und am 00.05.2008 verstorbenen, bei der Beklagten rentenversicherten C T (im Folgenden: Versicherter) verheiratet. Die Ehe wurde mit dem Ausspruch geschieden, dass beide Parteien die Schuld an der Scheidung tragen (Urteil des Landgerichts C vom 31.7.1973). Aus der Ehe sind zwei 1959 und 1962 geborene Kinder hervorgegangen. Der Versicherte verdiente zum Zeitpunkt der Scheidung monatlich netto etwa 1.700 DM, die Klägerin etwa 900 DM. Der Versicherte heiratete am 9.4.1974 die Beigeladene; die Klägerin heiratete nicht wieder.

Der Versicherte bezog seit Mai 1995 Versorgungsbezüge, zuletzt vor seinem Tod in Höhe von monatlich 1.274,78 EUR, seit Mai 2000 bezog er zusätzlich Altersrente von der Beklagten, zuletzt in Höhe von 671,35 EUR. Die Beklagte bewilligte der Beigeladenen antragsgemäß an Juni 2008 große Witwenrente nach dem Versicherten Bescheid vom 23.6.2008). Die Klägerin bezieht seit 2003 Regelaltersrente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund. Zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten erhielt sie Regelaltersrente in Höhe von 866,98 EUR und eine betriebliche Altersversorgung in Höhe von 159,32 EUR.

Im Juni 2008 beantragte auch die Klägerin bei der Beklagten als Hinterbliebene des Versicherten Witwenrente. Im Antragsvordruck gab sie unter anderem an, der Versicherte habe während des letzten Jahres vor seinem Tod keinen Unterhalt an sie geleistet und sei ihr zum Zeitpunkt der Auflösung der Ehe nicht zum Unterhalt verpflichtet gewesen. Zum Zeitpunkt der Auflösung der Ehe sei er den gemeinsamen Kindern zum Unterhalt in Höhe von jeweils 225 DM verpflichtet gewesen. Sie sei zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten in der Lage gewesen, sich selbst finanziell zu unterhalten. Die Beklagte lehnte den Antrag ab: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine große Witwenrente für geschiedene Ehegatten nach § 243 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI), da sie gegenüber dem Versicherten keinen Unterhaltsanspruch hatte (Bescheid vom 24.7.2008; Widerspruchsbescheid vom 6.10.2008).

Mit ihrer am 29.10.2010 beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie habe vor dem Tode des Versicherten gegen diesen einen Unterhaltsanspruch nach § 60 des Ehegesetzes (EheG) gehabt. Während der Ehezeit mit dem Versicherten sei sie überwiegend nicht berufstätig gewesen. Erst kurz vor der Scheidung habe sie in einer Notsituation eine Tätigkeit aufgenommen, da der Versicherte weder für sie noch für die Kinder Unterhalt gezahlt habe. Sie sei dazu nach dem zum Zeitpunkt der Scheidung geltenden Unterhaltsrecht aber nicht verpflichtet gewesen. Einen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten hätte sie damals vermutlich nicht realisieren können, da diesem der Selbstbehalt zur Verfügung gestanden hätte.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 24.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2008 zu verurteilen, ihr Geschiedenenwitwenrente zu gewähren.

Die Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten. Die Beigeladene hat gemeint, ein ...

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