Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung von Insolvenzgeld bei Versäumung der Antragsfrist

 

Orientierungssatz

1. Insolvenzgeld ist innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Nur eine unverschuldete Unkenntnis vom Eintritt des Insolvenzereignisses eröffnet eine Nachfrist, wobei für das Verschulden bereits leichte Fahrlässigkeit genügt. Wenn der Hinderungsgrund zur Beantragung von Insolvenzgeld bereits während der Frist des § 324 Abs. 3 S. 1 SGB 3 wegfällt, ist eine Nachfrist nicht eröffnet.

2. Das Verschulden seines Bevollmächtigten ist dem Arbeitnehmer zuzurechnen. War der Bevollmächtigte nicht ausschließlich mit der Durchsetzung arbeitsrechtlicher Ansprüche durch den Arbeitnehmer beauftragt, so ist die Kenntnis des Bevollmächtigten vom Eintritt des Insolvenzereignisses dem Arbeitnehmer zuzurechnen.

3. Zur Vermeidung unbilliger Härten kann die Arbeitsagentur eine verspätete Antragstellung bei Leistungen der Arbeitsförderung zulassen. Da Insolvenzgeld keine solche Leistung ist, existiert die Sonderregelung des § 324 Abs. 3 SGB 3 für den Fall der Fristversäumnis nicht.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 14.01.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist ein Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld. Hierbei geht es insbesondere um die Frage, ob dem Kläger wegen unverschuldeter Versäumung der Antragsfrist eine Nachfrist einzuräumen ist.

Der am 00.00.1966 geborene Kläger absolvierte vom 28.12.2005 bis 10.01.2006 auf Kosten der Bundesagentur für Arbeit bei der Firma Y GmbH in I eine Trainingsmaßnahme als Fachlagerist. Anschließend war er ab 11.01.2006 bei der Firma Y GmbH beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete am 14.03.2006, ohne dass der Kläger Arbeitsentgelt für seine Tätigkeit erhalten hatte.

Am 10.04.2006 erhob der Kläger, vertreten durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt G, vor dem Arbeitsgericht Bielefeld Klage auf Zahlung des ausstehenden Lohnes gegen die Y GmbH (4 Ca 99/06). Er hatte auf Zahlung einer Vergütung in Höhe von 4.400 Euro brutto sowie 307,80 Euro Entschädigung für die Nutzung seines eigenen PKW geklagt. In einem Vergleich einigte sich der Kläger mit der Arbeitgeberin am 15.05.2006 auf Zahlung von 3.850 Euro brutto ausstehendes Arbeitsentgelt und 319,80 Euro netto Fahrkostenerstattung.

Am 29.11.2006 beantragte der Geschäftsführer der Y GmbH, Herr N, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Firma der Y GmbH. Am 16.02.2007 wurde durch das Amtsgericht Bielefeld (43 In 1336/06) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Y GmbH eröffnet und Rechtsanwalt X als Insolvenzverwalter bestellt. Hierüber wurden die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben des Insolvenzverwalters vom 28.02.2007 informiert. Am 05.03.2007 meldeten die Prozessbevollmächtigten des Klägers beim Insolvenzverwalter eine noch ausstehende Forderung gegenüber der Y GmbH in Höhe von 2.897,60 Euro zur Insolvenztabelle an. Eine Durchschrift dieser Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren wurde dem Kläger von den Prozessbevollmächtigten ohne weiteres zusätzliches Anschreiben zur Kenntnis übersandt. Dieses Schreiben hat der Kläger eigenen Bekundungen zufolge im März 2007 auch erhalten.

Am 10.09.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zahlung von Insolvenzgeld. Er überreichte eine Insolvenzgeldbescheinigung des Insolvenzverwalters vom 20.08.2007, mit der offene Entgeltansprüche für den Zeitraum vom 11.01.2006 bis 14.03.2006 in Höhe von insgesamt 3.317,21 Euro bestätigt wurden. Auf Nachfrage der Beklagten gab der Kläger an, vom Insolvenzereignis im März 2007 durch seinen Prozessbevollmächtigten Kenntnis erhalten zu haben. Er habe jedoch erst im September 2007 den Antrag auf Insolvenzgeld stellen können, da er zuvor auf die Insolvenzgeldbescheinigung des Insolvenzverwalters habe warten müssen.

Mit Bescheid vom 09.10.2007, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 12.11.2007, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, er habe die Antragsfrist versäumt. Eine Nachfrist könne dem Kläger nicht eingeräumt werden, da er den Antrag fahrlässig zu spät gestellt habe. Auch ohne die Insolvenzgeldbescheinigung des Insolvenzverwalters sei es dem Kläger möglich gewesen, innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist den Antrag auf Insolvenzgeld zu stellen. Er könne sich nicht darauf berufen, dass seine Angelegenheit beim Insolvenzverwalter verspätet bearbeitet worden sei. Die nach den Umständen erforderliche und nach der Persönlichkeit des Klägers zumutbare Sorgfalt habe er offensichtlich nicht angewendet.

Am 11.12.2007 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Detmold Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, er habe die Antragsfrist schuldlos versäumt. Der Insolvenzverwalter habe ihn nicht auf die maßgebliche Frist hingewiesen. Er sei vielmehr davon ausgegangen,...

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