Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. häusliche Pflege. Tod des Pflegebedürftigen. Anspruch eines ambulanten Pflegedienstes gegen den Sozialhilfeträger auf Übernahme der Kosten für erbrachte Pflegeleistungen. Anspruchsübergang nach § 19 Abs 6 SGB 12. Nichtanwendbarkeit auf ambulante Pflegedienste. Verfassungsmäßigkeit. Ungleichbehandlung. sachliche Rechtfertigung

 

Orientierungssatz

1. Leistungen zur häuslichen Pflege, die von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden, sind keine "Leistungen für Einrichtungen" iS des § 19 Abs 6 SGB 12. Ein ambulanter Pflegedienst hat daher nach dem Tod des Pflegebedürftigen keinen eigenen Anspruch auf Übernahme noch offener Kosten für erbrachte Pflegeleistungen gegen den Sozialhilfeträger.

2. Die Gleichstellung ambulanter Leistungserbringer mit stationären bzw teilstationären Leistungserbringern im Hinblick auf den Anspruchsübergang nach § 19 Abs 6 SGB 12 ist auch nicht vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) geboten. Zwischen den Erbringern ambulanter Leistungen und den Leistungserbringern in Einrichtungen bestehen Unterschiede von so substantieller Art, dass sie eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.09.2013 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Kosten für die ambulante Pflege der Hilfeempfängerin vom 18.06.2009 bis zu deren Tod am 21.07.2010.

Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst, der die 1924 geborene N X (im Folgenden: Hilfeempfängerin) seit dem 30.11.2006 in ihrer in H (Thüringen) gelegenen Wohnung ambulant gepflegt hat. Grundlage war ein zwischen der Klägerin und der Hilfeempfängerin am 30.11.2006 geschlossener Pflegevertrag über die Erbringung ambulanter Pflegedienstleistungen nach § 37 SGB V (häusliche Krankenpflege sowie Pflegesachleistungen i.S.v. § 36 SGB XI). Auf der Grundlage dieser Vereinbarung erbrachte die Klägerin gegenüber der Hilfeempfängerin, die seit Dezember 2006 Leistungen aus der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II bezog, auch in dem streitigen Zeitraum Hilfe zur Pflege. Die dadurch entstandenen Kosten stellte die Klägerin jeweils im Folgemonat in Rechnung (insgesamt 8.850,08 EUR).

Am 18.06.2009 beantragte die Hilfeempfängerin bei dem Beklagten Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII. Bezüglich ihres Gesundheitszustandes verwies sie auf ein Gutachten der Pflegekasse vom 09.02.2007 sowie einen Kostenvoranschlag der Klägerin über zu erbringende Pflegeleistungen vom 17.06.2009, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Der Beklagte bat die Hilfeempfängerin nachfolgend um Übersendung diverser Unterlagen zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie einer nach Minuten erhobenen Pflegebedarfserhebung.

Nach Versterben der Hilfeempfängerin (am 21.07.2010) lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten für die erbrachten Pflegeleistungen gegenüber der Klägerin mit formlosem Schreiben vom 26.07.2010 ab. Der Anspruch der Hilfeempfängerin auf Pflegesachleistungen nach § 65 SGB XII sei mit deren Tod nicht nach § 19 Abs. 6 SGB XII auf die Klägerin übergegangen.

Dagegen legte die Klägerin am 17.08.2010 Widerspruch ein und machte geltend, der Beklagte habe den Antrag der Hilfeempfängerin trotz mehrfacher Mahnung und fristgerechter Einreichung sämtlicher notwendigen Unterlagen nicht zeitnah bearbeitet. Zudem erfasse der in § 19 Abs. 6 SGB XII geregelte Anspruchsübergang abweichend von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteile vom 13.07.2010 - B 8 SO 11/09 R und B 8 SO 13/09 R) nicht nur (teil-)stationäre Einrichtungen, sondern auch ambulante Pflegedienste.

Durch Widerspruchsbescheid vom 21.07.2011 wies der Beklagte den Widerspruch ohne beratende Beteiligung sozial erfahrener Dritter (vgl. § 116 SGB XII) zurück.

Mit ihrer am 23.08.2011 beim Sozialgericht Duisburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Der Hilfeempfängerin habe zu Lebzeiten unstreitig ein Anspruch auf Übernahme der angemessenen Kosten für eine Pflegefachkraft nach § 65 Abs. 1 S. 2 SGB XII zugestanden. Mit ihrem Tod sei dieser Anspruch nach § 19 Abs. 6 SGB XII auf die Klägerin übergegangen. Der gegenteiligen Auffassung des BSG (a.a.O.), nach der ambulante Pflegedienste nicht zu den vom Anspruchsübergang nach § 19 Abs. 6 SGB XII begünstigten Einrichtungen gehörten, sei nicht zu folgen. Der Wortlaut der Vorschrift sei nicht eindeutig und lasse ihre Anwendung auch auf ambulante Pflegedienste zu. Der darin verwendete Begriff der Einrichtung sei im SGB nicht allgemeingültig definiert. Zwar trenne § 75 SGB XII zwischen (teil-)stationären "Einrichtungen" und "Diensten". Im BSHG sei der Begriff der Einrichtung gemäß § 93 Abs. 1 BSHG a.F. jedoch umfassend gemeint gewesen. In Anlehnung hieran definiere der Gesetzgeber nun auch in § 13 Abs. 2 SGB XII ausdrücklich, dass Einrichtungen i...

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