rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Aachen (Entscheidung vom 20.02.1995; Aktenzeichen S 6 Kr 257/93)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 20. Februar 1995 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Kläger die Kosten des Lesesprechgeräts trägt, soweit dieses als PC nutzbar ist und die Kosten auf diese Funktion entfallen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch aus dem zweiten Rechtszug. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch nach § 33 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - (SGB V) auf Versorgung mit einem Lese-Sprechgerät als Hilfsmittel der knappschaftlichen Krankenversicherung.

Der 1942 geborene und bei der Beklagten versicherte Kläger ist seit 1988 blind. Er bezieht seit April 1988 Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Blindenschrift hat er nicht erlernen können, weil sein Tastgefühl in den Fingern aufgrund einer diabetischen Polyneuropathie eingeschränkt ist. Er lebt mit seiner nichtberufstätigen Ehefrau und seiner 17-jährigen schulpflichtigen Tochter in einem Haushalt zusammen.

Die Beklagte lehnte den im November 1992 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung eines ihm ärztlich verordneten elektronischen Lese-Sprechgeräts ab (Bescheid vom 03. Dezember 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1993).

Mit seiner am 23. November 1993 zum Sozialgericht (SG) Aachen erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat vorgetragen, er habe vor der Erblindung eine Vielzahl von Zeitschriften (z.B. Markt, Oldtimer, Mot, ADAC, Frankurter Allgemeine Zeitung, Heinsberger Volkszeitung) sowie bis zu 3 Bücher pro Monat gelesen. Er sei nunmehr im Vorstand des örtlichen Blindenvereins tätig. Monatlich erhalte er 4 - 5 Kontoauszüge, Auszüge betreffend Darlehen und Hypothek und eine Vielzahl weiterer Schriftstücke (z.B. Rechnungen, Angebote, Betriebsanleitungen).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03. Dezember 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1993 zu verurteilen, ihm ein elektronisches Lesegerät mit Sprachausgabe zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, ihre Zuständigkeit komme nur in Betracht, wenn die Blindheit bei dem Kläger als eine Berufskrankheit (Nr. 1306 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung) anzuerkennen wäre. Dies sei Streitgegenstand des Verfahrens SG Aachen S 5 (16,2) BU 32/91; die Klage auf Anerkennung dieses Zustandes als Berufskrankheit ist durch Urteil vom 16.04.1996 abgewiesen worden.

Mit Urteil vom 20. Februar 1995 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03. Dezember 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1993 verurteilt, dem Kläger ein elektronisches Lesesystem mit Sprachausgabe zur Verfügung zu stellen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das am 10. März 1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. März 1995 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen der §§ 33 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V seien nicht erfüllt. Das Informationsbedürfnis des Klägers könne durch den Hörfunk, durch Tonkasetten von Zeitschriften und durch eine Vorleseperson sichergestellt werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 20. Februar 1995 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Verweisung auf die Mithilfe seiner Ehefrau und seiner schulpflichtigen Tochter als Vorlesekraft sei unzumutbar. Seine Ehefrau, die herzkrank sei, habe Sehschwierigkeiten beim Lesen von Kleingedrucktem. Auch versorge sie häufig mehrere Enkelkinder.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist mit Ausnahme der dem Tenor entsprechenden Einschränkung hinsichtlich einer Eigenbeteiligung des Klägers unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf ein Lese-Sprechgerät als Hilfsmittel.

Nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (2. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.

Das Lese-Sprechgerät ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließt, ein geeignetes Hilfsmittel zum Ausgleich einer Behinderung im Sinne der 2. Alternative des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V und zur Zeit kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (vgl. Urteile vom 23. August 1995 - 3 RK 6/95 -, - 3 RK 7/95 - und - 3 RK 8/95 -).

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