Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Familienangehörigen. Versicherungspflicht. Einzugsstelle. Ehegatten-Arbeitsvertrag. Höhe des Arbeitsentgelts. Weisungsgebundenheit. Darlehen

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der versicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung von der versicherungsfreien selbständigen Tätigkeit sind entscheidende Kriterien einerseits die persönliche Abhängigkeit, die Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers und andererseits das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit, frei über Arbeitsort und Arbeitszeit zu bestimmen.

2. Nach diesen Kriterien entscheidet sich auch, ob die Tätigkeit im Unternehmen eines Ehegatten oder engen Verwandten ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis darstellt. Für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist es dabei unbeachtlich, wenn das Weisungsrecht nur mit Einschränkungen ausgeübt wird.

3. Ist mit dem Ehegatten bzw. dem Verwandten in einem Arbeitsvertrag eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit, ein monatliches Arbeitsentgelt, ein Urlaubsanspruch und die Regelung von Kündigungsmöglichkeiten vereinbart, so ist von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen.

4. Besonderes Engagement, überobligatorischer Arbeitseinsatz und der Umstand, dass sich ein Familienangehöriger in besonderem Maß finanziell für das Unternehmen einsetzt, führen nicht dazu, dass die Arbeitnehmereigenschaft entfällt.

 

Normenkette

SGB IV § 7 Abs. 1, § 28h Abs. 2 S. 1; SGB III § 25 Abs. 1 S. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 03.03.2010 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin in der Zeit vom 01.01.1994 bis zum 30.06.2003 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zum Inhaber der Beigeladenen zu 3) stand.

Die am 00.00.1959 geborene Klägerin hat ein Lehramtsstudium absolviert. Vom 01.01.1994 bis zum 30.06.2003 arbeitete sie bei der Firma L Garten- und Landschaftsbau, D (Beigeladene zu 3), die ihrem Ehemann gehört. Der Tätigkeit lag ein "Ehegatten-Arbeitsvertrag" vom 30.12.1993 zugrunde, in dem die Klägerin und ihr Ehemann vereinbarten, dass die als Arbeitnehmerin bezeichnete Klägerin kaufmännische Tätigkeiten mit einer Wochenarbeitszeit von 15 Stunden verrichtet und hierfür ein monatliches Arbeitsentgelt i.H.v. 1.200,00 DM erhält. Die Vertragsparteien regelten einen Urlaubsanspruch von 25 Werktagen sowie eine betriebliche Altersversorgung. Die Kündigung des Arbeitsvertrages sollte nach Maßgabe des Tarifvertrages für den Garten- und Landschaftsbau erfolgen. Am 17.12.1998 vereinbarten die Klägerin und ihr Ehemann im Rahmen einer "Ergänzung zum Ehegatten-Arbeitsvertrag" eine Gehaltserhöhung auf monatlich 2.000,00 DM aufgrund von geleisteter "Mehrarbeit". Das Entgelt der Klägerin wurde nach der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (DEÜV) regelmäßig gemeldet. Mit einem "Arbeitsvertrag geringfügig Beschäftigte" vom 26.06.2003 vereinbarten die Klägerin und ihr Ehemann, dass die Klägerin ab 01.07.2003 als kaufmännische Angestellte für eine Teilzeitbeschäftigung von 32 Stunden monatlich und ein Gehalt von 400,00 EUR eingestellt wird. Mit Bescheid vom 26.05.2006 stellte die Knappschaft Bahn-See (Minijobzentrale) fest, dass diese Tätigkeit kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sei. Seit dem 01.09.2004 ist die Klägerin ohne regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt für das Unternehmen tätig. Ab Februar 2007 war die Klägerin Lehramtsreferendarin, das zweite Staatsexamen hat sie nicht bestanden.

Am 30.05.2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten gestützt auf den Bescheid der Knappschaft Bahn-See, das Nichtvorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auch für die Zeit vom 01.01.1994 bis zum 30.06.2003 festzustellen und zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten. Sie fügte einen ausgefüllten "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen" bei. Hierin gab sie an, sie sei ab 01.01.1994 als kaufmännische Leiterin des Betriebes an fünf bis sechs Tagen und für 45 Stunden wöchentlich tätig gewesen. Ihre Arbeitszeit habe sie nach Belieben einteilen können, bis 30.06.2003 habe sie ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt bis 1.100,00 EUR, ab 01.07.2003 bis 400,00 EUR erhalten. Seit 01.09.2004 erhalte sie kein Gehalt mehr. Die Tätigkeit sei nicht aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt worden, sie sei in den Betrieb nicht wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert worden. Ohne ihre Mitarbeit hätte keine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen, sie habe nicht den Weisungen des Betriebs...

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