Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. tageweise Kürzung des Sozialgeldes bei Aufenthalt in temporärer Bedarfsgemeinschaft mit dem getrennt lebenden umgangsberechtigten Elternteil

 

Orientierungssatz

Hält sich ein Kind umgangsbedingt wechselnd in zwei Bedarfsgemeinschaften auf, die nicht personenidentisch sind, bestehen zwei Ansprüche auf Leistungen für Regelbedarfe, die unterschiedlich hoch sein können und sich in zeitlicher Hinsicht ausschließen (vgl BSG vom 12.6.2013 - B 14 AS 50/12 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 35).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.12.2021; Aktenzeichen B 14 AS 73/20 R)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.01.2019 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat 1/3 der Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Sozialgeld in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter aufgrund ihres Aufenthalts in einer temporären Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Vater in den Monaten September 2014 und Oktober 2014.

Die 2000 geborene Klägerin und der 2003 geborene Kläger lebten im streitigen Zeitraum mit ihrer Mutter C T in einer Wohnung. Der Vater der Kläger V T lebte von den Klägern und ihrer Mutter getrennt. Die Eltern der Kläger sind seit 2012 geschieden und haben gemeinsam das Sorgerecht für die Kläger. Auch V T bezog im streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten. Nach einer Vereinbarung der Eltern der Kläger hielten sich die Kläger jedes zweite Wochenende von Freitag bis Sonntag und zusätzlich während der Hälfte der Ferien bei ihrem Vater auf.

Mit Bescheid vom 07.04.2014 bewilligte der Beklagte den Klägern und ihrer Mutter in Bedarfsgemeinschaft für Mai 2014 bis Oktober 2014 Leistungen iHv insgesamt 1.192,76 EUR monatlich. Der Beklagte legte einen Gesamtbedarf iHv 1.746,76 EUR zugrunde (Kosten der Unterkunft und Heizung 658 EUR; Regelbedarf für die Mutter 391 EUR, Mehrbedarf für Alleinerziehende 140,76 EUR, Sozialgeld für die Klägerin 296 EUR, Sozialgeld für den Kläger 261 EUR). Er rechnete auf den Bedarf Kindergeld iHv 184 EUR bzw. 190 EUR sowie bei dem Kläger einen Unterhaltsvorschuss iHv 180 EUR an. Der Beklagte bewilligte der Klägerin Sozialgeld iHv 112 EUR und Unterkunftskosten iHv 219,34 EUR, der Kläger erhielt aufgrund anzurechnenden Einkommens nur Unterkunftskosten iHv 110,33 EUR.

Nachdem der Beklagte erfahren hatte, dass die Kläger regelmäßig beim Vater sind, teilten die Eltern der Kläger auf Anforderung durch den Beklagten mit, dass die Kläger sich im streitigen Zeitraum an folgenden Tagen beim Vater aufgehalten hatten (Beginn jeweils um 17:00 Uhr - Ende jeweils um 19:00 Uhr): 05.09.2014 bis 07.09.2014, 19.09.2014 bis 21.09.2014, 03.10.2014 bis 05.10.2014, 13.10.2014 bis 19.10.2014 (Herbstferien) und 31.10.2014 bis 02.11.2014.

Mit Bescheid vom 01.08.2014 hob der Beklagte den Bescheid vom 07.04.2014 gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X iVm § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II daraufhin für August 2014 bis Oktober 2014 teilweise auf. Die Kläger seien während des Besuchs beim Vater aus der Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter "zu entfernen", weshalb auch der Mehrbedarf wegen Alleinerziehung entsprechend zu reduzieren sei. Ein Doppelbezug von Sozialgeld in beiden Bedarfsgemeinschaften sei nicht möglich. Im September 2014 reduzierte der Beklagte den anzuerkennenden Regelbedarf für die Kläger in Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter auf 26/30 (256,53 EUR bzw. 226,20 EUR) und im Oktober 2014 auf 23/30 (226,93 EUR bzw. 200,10 EUR - insoweit mit einem Rundungsfehler zugunsten des Klägers). Der Klägerin erhielt aufgrund dieser Reduzierung im September 2014 Sozialgeld iHv 72,54 EUR und Unterkunftskosten iHv 190,09 EUR, der Kläger Unterkunftskosten iHv 46,30 EUR. Im Oktober 2014 erhielt die Klägerin Sozialgeld iHv 41,99 EUR und Unterkunftskosten iHv 160,84 EUR, der Kläger erhielt Unterkunftskosten iHv 3,50 EUR.

Mit Bescheid vom 11.08.2014 bewilligte der Beklagte den Klägern anteiliges Sozialgeld für die Dauer ihres Aufenthalts in der temporären Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Vater von August 2014 bis Oktober 2014 (wobei der Beklagte zugunsten der Kläger für Oktober 2014 von acht Anwesenheitstagen bei dem Vater ausging).

Gegen den Bescheid vom 01.08.2014 legten die Kläger am 07.08.2014 Widerspruch ein. Die Kürzungen ihrer Leistungen in Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter sei rechtswidrig.

Mit Bescheid vom 21.11.2014 änderte der Beklagte den Bescheid vom 01.08.2014 insoweit ab, als der Mutter der Kläger der volle Mehrbedarf wegen Alleinerziehung bewilligt wurde. Die den Klägern bewilligten Leistungen blieben unverändert.

Mit Bescheid vom 18.12.2014 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Den Klägern stünden auch bei regelmäßigen Aufenthalten in zwei Bedarfsgemeinschaften monatlich insgesamt Leistungen nur für 30 Tage zu. Die Anzahl der Tage, an denen sie sich in temporärer Bedarfsgemeinschaft mit dem Vater befinden, seien daher bei de...

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