Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. extrakorporale Stoßwellenlithotripsie bei Sialolithiasis. Systemversagen. Seltenheitsfall

 

Orientierungssatz

1. Die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie bei Sialolithiasis zählt nicht zu den von einer gesetzlichen Krankenkasse geschuldeten Leistungen, weil diese Methode nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehört und die für die Abrechnungsfähigkeit neuer Behandlungsmethoden nach § 135 Abs 1 SGB 5 erforderliche Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB 5 (BUB-Richtlinien) - nicht vorliegt.

2. Ein Kostenerstattungsanspruch kommt unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens nur in Betracht, wenn die fehlende Anerkennung der Methode darauf zurückzuführen ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen das Verfahren nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt hat.

3. Maßnahmen zur Behandlung einer Krankheit, die so selten auftritt, dass ihre systematische Erforschung praktisch ausscheidet, sind vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen dafür keine Empfehlung abgegeben hat (vergl BSG vom 19.10.2004 - B 1 KR 27/02 R = BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1)

 

Normenkette

SGB V § 135 Abs. 1, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, § 27 Abs. 1, § 2 Abs. 1 S. 3; GG Art. 2 Abs. 1, 2 S. 1

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.11.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Kostenerstattung in Höhe von 2.415,- Euro für eine selbstbeschaffte extrakorporale Stoßwellenlithotripsie bei Sialolithiasis (Speichelsteinen).

Der am 00.00.1965 geborene und bei der Beklagten familienversicherte Kläger beantragte am 21.07.2004 die Übernahme der Kosten für eine extrakorporale Stoßwellenlithotripsie bei Sialolithiasis, die von dem Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen Dr. N, St. M-klinik GmbH, T, durchgeführt werden sollte. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers durch den Bescheid vom 03.08.2004 mit der Begründung ab, dass die vom Kläger begehrte Stoßwellentherapie in der Anlage B der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) (Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Behandlungs- und Untersuchungsmethoden [BUB-Richtlinien] des Gemeinsamen Bundesausschusses - GBA) aufgeführt sei, so dass sie diese Leistungen nicht gewähren dürfe.

Der Kläger führte die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie auf eigene Kosten in drei Behandlungszyklen am 18.08., 22.09. und 12.12.2004 bei Dr. N durch; hierfür wandte er 2.415,- Euro auf. Am 27.08.2004 legte er gegen den Bescheid vom 03.08.2004 Widerspruch ein, den die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 07.10.2004 zurückwies.

Der Kläger hat am 22.10.2004 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben.

Zur Begründung hat er vorgetragen: Die von ihm durchgeführte Stoßwellenlithotripsie bei Sialolithiasis stelle gegenüber der operativen Entfernung der Speichelsteine die billigere und ungefährlichere Behandlungsmethode dar. Bei dieser Sachlage könne es nicht darauf ankommen, dass eine positive Entscheidung des GBA zur Anwendung der Stoßwellentherapie bei der Entfernung von Speichelsteinen bisher nicht vorliege.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2004 zu verurteilen, ihm 2.415,- Euro zu erstatten, hilfsweise, ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, dass die Behandlungsmaßnahme der extrakorporalen Stoßwellen-Lithotripsie bei Sialolithiasis dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an der Auffassung festgehalten, dass die Stoßwellentherapie zur Entfernung von Speichelsteinen nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung zähle; sie sei deshalb auch nicht zur Kostenerstattung verpflichtet.

Das Sozialgericht hat Auskünfte des GBA eingeholt: Die Geschäftsführung des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 3 SGB V hat mit Schreiben vom 15.06.2005 sein in dem Streitverfahren S 9 (4) KR 293/02 Sozialgericht Düsseldorf verfasstes Schreiben vom 07.07.2003 vorgelegt, wonach die Stoßwellenzertrümmerung von Speichelsteinen nicht nach einer Position des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abrechnungsfähig sei. Mit der Leistungsposition Nr. 1860 EBM-Ä sei als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließlich die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie von Harnsteinen als vertragsärztliche Leistung vereinbart worden. Laut Beschluss des GBA gemäß § 135 Abs. 1 SGB V sei die Stoßwellenzertrümmerung von Harnsteinen in die Anlage A der BUB-Richtlinien aufgenommen worden.

Der Unterausschuss...

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