Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. niederländische Versandapotheke. kein Anspruch auf Erstattung des sog Herstellerrabatts. Verfassungsmäßigkeit. Europarechtskonformität

 

Orientierungssatz

Der in § 130a Abs 1 S 1 SGB 5 geregelte Rabatt der pharmazeutischen Unternehmer gilt nur für Fertigarzneimittel, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem AMG (juris: AMG 1976) oder aufgrund des § 129 Abs 5a SGB 5 bestimmt sind. Diese Beschränkung verstößt weder gegen Verfassungsrecht noch gegen europäisches Recht.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.09.2005 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist die Zahlung des sog. Herstellerrabatts gemäß § 130a Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für Arzneimittel, die die in den Niederlanden ansässige Klägerin im Wege des Versandhandels an Versicherte der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in der Zeit von 2003 bis 2005 abgegeben hat.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in I/Niederlande, die Beklagte ist ein pharmazeutischer Unternehmer i.S.d. § 4 Abs. 18 Arzneimittelgesetz (AMG) mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland. Die Klägerin betreibt in den Niederlanden sowohl eine Präsenz- als auch eine Versand-/Internetapotheke, mit der sie überwiegend Endverbraucher in Deutschland versorgt. Ihren Angaben zufolge erwirbt sie die Arzneimittel bei deutschen Großhändlern, die die Ware an den Sitz der Klägerin in die Niederlande senden. Von dort aus beliefert sie Versicherte der GKV auf Bestellung per Kurierdienst mit Arzneimitteln, die nach dem AMG zugelassen sind. Verordnungspflichtige Arzneimittel versendet sie gegen Vorlage vertragsärztlicher Verordnungen. Die Vergütung der Leistungen erfolgt wie bei inländischen Apotheken unmittelbar im Verhältnis zwischen der Klägerin und den Krankenkassen der Versicherten, ohne dass diese in Vorleistung treten und im Nachhinein Erstattung beantragen müssen. Grundlage hierfür sind individuelle vertragliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und einzelnen Krankenkassen. Auf diese Vereinbarungen gestützt rechnet die Klägerin die erbrachten Leistungen außerhalb des für inländische Apotheken nach § 129 SGB V vorgeschriebenen Abrechnungsverfahrens zu den Bedingungen ab, die sie mit der jeweiligen Krankenkasse selbst ausgehandelt hat.

Im Bereich der GKV sind die Arzneimittelkosten, die den Krankenkassen durch die Versorgung ihrer Versicherten entstehen, u.a. durch Apotheken-, Großhandels- und Herstellerrabatte zu verringern. Der Gesetzgeber hat die GKV mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) vom 23.12.2002 (BGBl. I 4637) finanziell u.a. dadurch entlastet, dass pharmazeutische Unternehmer Rabatte auf Arzneimittel für ihre Versicherten gewähren müssen. Diese Rabatte sind von den pharmazeutischen Unternehmern jedoch nicht unmittelbar an die Krankenkassen abzuführen. Vielmehr erhalten die Krankenkassen den Rabatt dadurch, dass sie die Rechnungen der Apotheken um den Herstellerrabatt kürzen. Die Apotheken wiederum können pharmazeutische Unternehmer auf Erstattung der gekürzten Beträge in Anspruch nehmen (§ 130a SGB V).

Die Klägerin gab im betroffenen Zeitraum von 2003 bis 2005 im Wege des Versandhandels an Versicherte der GKV u.a. Arzneimittel ab, die die Beklagte vertrieben hatte. Hierfür entrichteten die Krankenkassen auf der Basis ihrer Vereinbarungen mit der Klägerin die geschuldete Vergütung, wobei jeweils ein Abschlag in Höhe des Herstellerrabatts einbehalten wurde. Die Erstattung dieser Rabatte lehnte der beklagte pharmazeutische Unternehmer jedoch gegenüber der Klägerin ab.

Mit ihrer am 10.12.2003 vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht:

§ 130a SGB V gelte nach dem eindeutigen Wortlaut des Abs. 1 für sämtliche Arzneimittel, die zu Lasten der GKV an Versicherte abgegeben würden. Der Apothekerbegriff des § 130a SGB V umfasse auch EU-ausländische Apotheken. Eine Apotheke, die - wie die Klägerin - Arzneimittel grenzüberschreitend innerhalb der EU vertreibe, sei Trägerin der Grundfreiheiten des EG-Vertrages (jetzt: AEUV). Insbesondere die in den Art. 28 EG (jetzt: Art. 34 AEUV) normierte Freiheit des Warenverkehrs fordere, dass die Kosten für Arzneimittel, die von in Deutschland gesetzlich Versicherten aus dem Ausland bezogen würden, von den deutschen gesetzlichen Krankenkassen übernommen würden. Die Rechtslage sei unmittelbar vergleichbar mit der Inanspruchnahme ambulanter Behandlungen im EG-Ausland durch gesetzlich Versicherte, für die der EuGH in nunmehr ständiger Rechtsprechung davon ausgehe, dass die daraus entstehenden Kosten ohne Genehmigungserfordernis zu übernehmen seien.

Die Klägerin hat ferner die Auffassung vertreten, dass sie rechtmäßig an dem Handel mit Arzneimitteln teilgenommen habe. Dem stehe nicht entgegen, dass § 43 Abs. 1 AMG den Versand von Arzneimitteln zur Zeit...

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