Entscheidungsstichwort (Thema)

Alterssicherung der Landwirte. Rente wegen Erwerbsminderung für Ehegatten nur bei Abgabe des Landwirtschaftsunternehmens durch anderen Ehegatten. Verfassungsmäßigkeit. Fiktion der Hofabgabe

 

Orientierungssatz

Der Bezug einer Rentenleistung für den Ehegatten nur bei gleichzeitiger Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens durch den anderen Ehegatten ist ein Grundsatz, den der Gesetzgeber bewusst und zielgerichtet in den früheren und jetzigen gesetzlichen Regelungen aufgenommen bzw beibehalten hat, um sozial- und agrarpolitische Ziele der Strukturverbesserung der Landwirtschaft zu verwirklichen. Die Verfassungsmäßigkeit der Abgabevoraussetzungen für Leistungsansprüche nach den Vorschriften der landwirtschaftlichen Sozialversicherung ist vom BVerfG bereits mehrfach bestätigt worden (vgl zB BVerG vom 20.9.1999 - 1 BvR 1750/95 = SozR 3-5850 § 4 Nr 1).

 

Normenkette

ALG § 1 Abs. 3, § 13 Abs. 1, § 21 Abs. 9; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung die fehlende Hofabgabe des Ehegatten, der das 65. Lebensjahr bereits vollendet hat, entgegensteht.

Die ... 1942 geborene Klägerin ist die im gesetzlichem Güterstand lebende Ehefrau des ... 1936 geborenen Landwirts K H H, der weiterhin ein landwirtschaftliches Unternehmen betreibt.

Im April 2002 beantragte die Klägerin, die von Januar 1995 bis April 2002 ebenfalls Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse entrichtet hat, bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Die von der Beklagten beauftragte Gutachterin Dr. T kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin wegen erheblicher Erkrankungen auf Dauer nicht mehr in der Lage sei, einer gewinnbringenden Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass eine Rente nur gewährt werden könne, wenn das landwirtschaftliche Unternehmen abgegeben werde. Bei Erwerbsminderung gelte eine Abgabe nur solange als erfolgt im Sinne des § 21 Abs. 9 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG), als der Ehegatte das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Die Klägerin teilte dazu mit, dass eine Abgabe des Betriebes für ihren Ehemann nicht in Betracht komme. Einen Nachfolger für den Betrieb gebe es nicht. Der Betrieb liege in einer strukturschwachen Gegend, so dass sich kein Pächter für die Flächen finden lasse. Einer Abgabe des Betriebes durch den Ehemann bedürfe es auch nicht, da dieser bereits die Altersgrenze von 65 Jahren erreicht habe. Das Abgabeverlangen, welches von ihr gegenüber ihrem Ehemann nicht durchgesetzt werden könne, verstoße gegen den Schutzzweck des § 1 Abs. 3 ALG, der eine eigenständige Absicherung der landwirtschaftlichen Ehegatten beabsichtige.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 06.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2003 die Gewährung einer Rente ab. Zwar sei die Klägerin erwerbsgemindert und erfülle die Wartezeit sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, jedoch sei als weitere Voraussetzung die Abgabe des Unternehmens nicht erfolgt. Die hiergegen erhobene Klage (S 11 Lw 6/03 SG Köln) nahm die Klägerin am 26.09.2003 zurück.

Am 20.11.2003 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Überprüfung der vorhergehenden Bescheide. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2004 ab und hielt an ihrer Rechtsauffassung fest.

Am 16.02.2004 hat die Klägerin beim Sozialgericht Köln Klage erhoben. Sie sei nicht selbst Eigentümerin des Hofes und könne ihren Ehemann, der selbst keine Altersrente begehre und mangels Nachfolger nicht zur Abgabe bereit sei, nicht zur Hofabgabe zwingen. Wenn ihr in einem solchen Fall die Rente wegen der Vorschrift des § 21 Abs. 9 ALG verweigert werde, verstoße diese Vorschrift gegen Grundrechte aus Art. 3, 6 und 14 Grundgesetz (GG).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2004 zu verurteilen, den Bescheid vom 06.01.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2003 zurückzunehmen und ihr aufgrund ihres Antrages vom 08.04.2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 26.08.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Rentenanspruch der Klägerin scheitere an der weiteren Voraussetzung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 ALG, dass das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben sein müsse. Diese Voraussetzung gelte für den Landwirt selbst, aber auch für dessen Ehegatte. Die hiervon gesetzlich vorgesehene Ausnahme der fingierten Abgabe nach § 21 Abs. 9 Satz 3 iVm Satz 4 ALG gelte nur solange, bis der andere Ehegatte das 65. Lebensjahr vollendet habe oder selbst erwerbsgemindert sei. Die Ausnahmevorschrift verstoße nicht gegen verfassungsrechtliche Normen. Für die vom Gesetzgeber getroffene Regelung gebe es unter Berücksichtigung der engen wirtschaftliche...

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