Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Geschäftsführer einer GmbH

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Verfügt der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH lediglich über 40 % der Gesellschaftsanteile, ist er den Weisungen der Gesellschaft unterworfen, hat er Anspruch auf eine feste monatliche Vergütung, auf bezahlten Urlaub und auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 5.4.2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 61.117,61 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin sowie die entsprechende Beitragsnachforderung.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH, HRB 000, Amtsgericht [AG] Lemgo), die im März 2001 unter der Bezeichnung H-IT GmbH vom Beigeladenen zu 1) und seiner Mutter, Frau C D (im Folgenden: C.D.), gegründet wurde (Gesellschaftsvertrag v. 1.3.2001). Im Dezember 2008 erfolgte eine Sitzverlegung nach Detmold und die Umfirmierung auf den jetzigen Namen (Gesellschaftsvertrag v. 4.12.2008 [GV 2008]). Unternehmensgegenstand der Klägerin sind Dienstleistungen und Geschäfte im Zusammenhang mit Multimedia, Computern und Zubehör. Das Stammkapital der Klägerin beträgt 25.000 Euro. Hieran sind C.D. in Höhe von 15.000 und der Beigeladene zu 1) in Höhe von 10.000 Euro beteiligt (§ 6 GV 2008). Nach § 10 Abs. 3 GV 2008 wurden Gesellschafterbeschlüsse, soweit das Gesetz oder der Gesellschaftervertrag nicht eine andere Mehrheit vorsehen, mit einer Mehrheit von 51% des Gesellschaftskapitals gefasst. Jede 50 Euro eines Geschäftsanteils gewährten eine Stimme.

Der Beigeladene zu 1) wurde von der Gesellschafterversammlung der H-IT GmbH am 1.3.2001 zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Der zwischen ihnen abgeschlossene Geschäftsführervertrag (GFV) vom selben Tag bestimmt seine Pflicht, die gesamte Arbeitskraft sowie die gesamten Kenntnisse und Erfahrungen ausschließlich der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Die Übernahme von Nebentätigkeiten, Ehrenämtern, Aufsichtsrats-, Beirats- und ähnlichen Mandaten sowie von Gutachten, Veröffentlichungen und Vorträgen bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschafter (§ 1 Nr. 7 GFV). Des Weiteren unterliegt er Berichtspflichten (§ 1 Nr. 8 GFV), hat Anspruch auf eine feste monatliche Vergütung (§ 3 GFV), auf Bezüge bei Krankheit oder Tod (§ 4 GFV) sowie auf bezahlten Urlaub (§ 5 GFV). § 10 Nr. 1 GFV lautet:

"Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Geschäftsführer über die alleinige kaufmännische, fachliche und branchenspezifische Qualifikation verfügt, unterliegt der Geschäftsführer im Rahmen seiner Tätigkeit keinerlei Weisungen seitens der Gesellschafter."

Am 4.8.2003 erteilte C.D. dem Beigeladenen zu 1) u.a. eine notariell beurkundete Generalvollmacht, sie in allen Vermögensangelegenheiten gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten.

Eine von der Beklagten im November 2011 bei der Klägerin durchgeführte Betriebsprüfung ergab "keine Feststellungen im Zusammenhang mit der Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages" (Prüfmitteilung v. 11.11.2011).

In der Zeit vom 6.7.2015 bis 17.1.2017 führte die Beklagte bei der Klägerin erneut eine Betriebsprüfung durch. Mit Schreiben vom 6.12.2016 hörte sie diese zu ihrer Absicht an, für die Zeit vom 1.1.2011 bis 31.12.2016 Nachforderungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 64.239,48 Euro zu erheben. Das durch die Betriebsprüfung eingeleitete sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungsverfahren habe zu dem Ergebnis geführt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Funktion als Geschäftsführer ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ausübe. Versicherungspflicht bestehe in der Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Die Klägerin vertrat demgegenüber die Auffassung, die gebotene Gesamtwürdigung sämtlicher Aspekte führe dazu, die Tätigkeit des Be...

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