Entscheidungsstichwort (Thema)

Arzneimittelregress wegen der Verordnung nicht zugelassener Arzneimittel. keine Anwendung einer vierjährigen Ausschlussfrist bei verjährbarem individuellen Schadensersatzanspruch einer Krankenkasse. vierjährige Verjährungsfrist für Arzneimittelregress. keine Hemmung des Ablaufs der Verjährungsfrist durch die Antragstellung der Krankenkasse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Klagegegenstand in Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist allein der Bescheid des Beschwerdeausschusses. Dies gilt auch dann, wenn ein der Prüfung insgesamt entgegenstehendes Verfahrenshindernis (hier: Ablauf der Ausschlussfrist) geltend gemacht wird.

2. Der Regressanspruch einer Krankenkasse wegen unzulässiger Arzneimittelverordnung unterliegt der Verjährung; die von der Rechtsprechung entwickelte vierjährige Ausschlussfrist gilt nicht.

3. Der Ablauf der Verjährung wird nicht aufgrund analoger Anwendung des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB durch Bekanntgabe des Prüfantrags an den Vertragsarzt gehemmt (Abgrenzung zu BSG SozR 3-5545 § 23 Nr 1).

 

Orientierungssatz

1. Ein Arzt, der ein Präparat vertragsärztlich verordnet hat, das nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf, die noch nicht erteilt ist, ist verpflichtet, der betroffenen Krankenkasse den Schaden zu ersetzen, der ihr daraus erwachsen ist, dass sie auf Grund der Vorlage der Verordnung und der Auslieferung der Arzneimittels durch die Apotheken zur Zahlung und der Auslieferung des Arzneimittels durch die Apotheken zur Zahlung entsprechender Beträge verpflichtet worden ist (vgl LSG Essen vom 14.11.2007 - L 11 KA 36/07).

2. Als Antrag iS von § 204 Abs 1 Nr 12 BGB kann nur die Einlegung des Widerspruchs angesehen werden, weil nur die Durchführung des Vorverfahrens unmittelbare Zulässigkeitsvoraussetzung der anschließenden Klage ist (vgl BVerwG vom 9.3.1979 - 6 C 11/78 = BVerwGE 57, 306). Für die Anrufung des Beschwerdeausschusses zur Festsetzung eines Schadensersatzanspruchs kann nichts anderes gelten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.05.2010; Aktenzeichen B 6 KA 5/09 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. Oktober 2007 und der Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2007 aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 133,07 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen unzulässiger Arzneimittelverordnung wegen Zeitablaufs ausgeschlossen oder ob der Anspruch verjährt ist.

Der Beigeladene zu 1. ist Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Hebammenlehranstalt des Kreiskrankenhauses D. und war im hier fraglichen Zeitraum zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Auf vertragsärztlichem Rezeptformular verordnete er am 18. Dezember 2000 zu Gunsten einer bei der Beigeladenen zu 8. Versicherten “Wobe Mugos E„-Tabletten. Dabei handelte es sich um ein zur Metastasenprophylaxe bestimmtes Enzympräparat, das zum damaligen Zeitpunkt (nur) verkehrsfähig war, weil die Herstellerfirma gegen die Ablehnung der Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Klage erhoben hatte. Am 22. Oktober 2001 beantragte die Beigeladene zu 8. bei der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung (KV) die Gutschrift eines Regresses in Höhe der hierauf entfallenen Kosten von 260,27 DM (umgerechnet: 133,07 €) und legte zur Begründung dar, ungeachtet des noch laufenden Verwaltungsgerichtsverfahrens sei die Verordnung von “Wobe Mugos E„ im Rahmen vertragsärztlicher Versorgung zumindest unwirtschaftlich und damit in der Regel unzulässig. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2001 setzte die Klägerin den Beigeladenen zu 1. über den Antrag in Kenntnis und teilte mit, da nur eine fiktive Zulassung vorliege und die Rechtslage hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit des Präparats unsicher sei, werde sie bis zur Rechtsklärung den Antrag ruhen lassen.

Nachdem der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) mit Urteil vom 27. September 2005 (SozR 4-2500 § 31 Nr. 3) entschieden hatte, dass “Wobe Mugos E„ nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden könne, nahm der Prüfungsausschuss bei der Geschäftsstelle der Prüfungseinrichtungen Niedersachsen das Verfahren wieder auf und bat den Beigeladenen zu 1. mit Schreiben vom 21. April 2006 um fallbezogene Stellungnahme. Der Beigeladene zu 1. vertrat (im Schreiben vom 16. Mai 2006) die Auffassung, die Angelegenheit sei mittlerweile verjährt. Zum Zeitpunkt der Rezeptierung habe bei der behandelten Patientin eine lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegen - an der sie inzwischen verstorben sei - , die durch die eingeleiteten schuldmedizinischen Maßnahmen nicht bzw. nur mit Einschränkungen zu beeinflussen gewesen sei; es habe in der zur Verfügung stehenden medizinischen Literatur genügend ernsthafte Hinweise auf einen ni...

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