Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe. Herbeiführung der Arbeitslosigkeit durch Eigenkündigung. Aussicht auf Anschlussarbeitsverhältnis. Nichtzustandekommen. hinreichend konkrete Aussicht. greifbare und realisierbare Chance auf den Anschlussarbeitsplatz. ernsthafte und erfolgsversprechende Vertragsverhandlungen. wichtiger Grund

 

Orientierungssatz

1. Bei einer Eigenkündigung liegt grobe Fahrlässigkeit iS von § 159 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3 vor, wenn der Arbeitnehmer weder zum Zeitpunkt der Kündigung noch bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz hatte. Selbst wenn insoweit keine feste Zusicherung eines Anschlussarbeitsplatzes zu verlangen ist, muss zumindest eine greifbare und realisierbare Chance auf den Anschlussarbeitsplatz bestehen, welche durch erfolgversprechende Vertragsverhandlungen oder besondere Umstände in der Person des Klägers oder des betroffenen Berufs begründet sein können.

2. Ein wichtiger Grund für die Eigenkündigung gem § 159 Abs 1 S 1 SGB 3 liegt auch nicht vor, wenn der Arbeitslose lediglich Vertragsverhandlungen geführt hat ohne jedoch eine Einstellungszusage oder auch nur ein hinreichend ernsthaftes bzw verlässliches Signal des diesbezüglichen Willens des neuen Arbeitgebers erhalten zu haben und die Vertragsverhandlungen weder zur Fixierung eines bestimmten Anstellungsdatums noch einer bestimmten Vergütungshöhe geführt haben.

 

Tenor

1. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Braunschweig vom 11. Februar 2019 wird zurückgewiesen.

2. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe und begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) nach Maßgabe des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) für die Zeit vom 1. März 2018 bis 1. Mai 2018.

Der 1956 geborene Kläger stand vom 17. Februar 2017 bis 28. Februar 2018 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis als Fahrer bei der Firma H. eK (Arbeitszeit: 30 Stunden pro Woche; Bruttoarbeitsentgelt: 1.300,00 Euro). Das unbefristete Arbeitsverhältnis endete aufgrund der fristgerechten Eigenkündigung des Klägers vom 29. Januar 2018.

Am 28. Februar 2018 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitsuchend sowie arbeitslos und beantragte gleichzeitig Alg. Er gab an, sich am 23. Dezember 2017 auf „ein deutlich besser bezahltes Arbeitsverhältnis beworben“ zu haben. Es habe sich hierbei um ein neues Projekt zwischen seiner künftigen Arbeitgeberin, der Firma I., und der J. GmbH gehandelt. Diese „neue Aufgabe“ habe Anfang März 2018 beginnen sollen. Letztlich sei das Projekt jedoch wider Erwarten nicht zustande gekommen, so dass sich auch die Aufnahme der Beschäftigung zerschlagen habe.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 12. März 2018 für die Zeit vom 1. März bis 23. Mai 2018 den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit sowie eine Minderung des Alg-Anspruchs um 116 Tage fest (= 1/4 der Anspruchsdauer). Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger sein früheres Beschäftigungsverhältnis durch Eigenkündigung selbst gelöst habe. Er habe voraussehen müssen, dass er dadurch arbeitslos werde. Sein Vorbringen, sich auf ein Stellenangebot für ein besser bezahltes Arbeitsverhältnis beworben zu haben, könne den Eintritt einer Sperrzeit nicht abwenden. Aus den Unterlagen sei kein genaues Anfangsdatum der Beschäftigung und keine konkrete Beschäftigungszusage erkennbar.

Mit Bewilligungsbescheid vom 13. März 2018 setzte die Beklagte den streitbefangenen Sperrzeitbescheid sowie einen weiteren, mittlerweile bestandskräftigen weiteren Sperrzeitbescheid (Sperrzeit vom 24. bis 30. Mai 2018 wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung) um und gewährte dem Kläger für die Zeit nach Ablauf der beiden Sperrzeiten Alg für die Zeit vom 31. Mai 2018 bis 10. Mai 2019 (vgl Bewilligungsbescheid vom 13. März 2018 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 9. April 2018). Zu einer Auszahlung von Alg kam es in der Folgezeit allerdings nicht mehr, weil der Kläger bereits am 2. Mai 2018 eine Vollzeitbeschäftigung aufnahm (vgl zur Aufhebung der Alg-Leistungsbewilligung mit Wirkung ab 2. Mai 2018: bestandskräftiger Bescheid vom 4. Mai 2018).

Gegen den streitbefangenen Sperrzeitbescheid sowie gegen den Bewilligungsbescheid vom 13. März 2018 machte der Kläger mit seinem am 11. April 2018 eingelegten Widerspruch geltend, dass er entgegen der Auffassung der Beklagten seine Arbeitslosigkeit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt habe. Ohne eine fristgerechte Eigenkündigung hätte er dem vorgesehenen neuen Arbeitgeber nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen können. Selbst wenn man ihm vorschnelles Handeln vorhalten wolle, habe es sich allenfalls um Fahrlässigkeit, nicht aber um Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit gehandelt. Er habe nach den intensiven Gesprächen mit der Firma I. davon ausgehen können, „zumindest in der engsten Wahl für die...

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