Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Vorausbescheinigung. gesonderte Arbeitgebermeldung und Hochrechnung nach § 194 Abs 1 SGB 6. beitragspflichtige Einnahmen. Korrektur. tatsächliche Entgelte. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn sich nach Bescheiderteilung die anfängliche Fehlerhaftigkeit der Beitragsbemessungsgrundlage herausstellt, die Grundlage einer Hochrechnung gemäß §§ 70 Abs 4, 194 Abs 1 SGB VI gewesen ist, ist eine Korrekturentscheidung durch den Rentenversicherungsträger nach § 45 SGB X unter Heranziehung der nachträglich bekannt gewordenen tatsächlichen Einkünfte im hochgerechneten Zeitraum nicht möglich.

 

Orientierungssatz

1. Auch eine Korrektur nach § 48 SGB 10 ist in solchen Konstellationen ausgeschlossen.

2. Es bestehen grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Rentenversicherungsträger auch nach Bekanntwerden der tatsächlich im Hochrechnungszeitraum erzielten beitragspflichtigen Entgelte die Altersrente nicht von Amts wegen an diese anpasst (Anschluss an BSG vom 12.12.2011 - B 13 R 29/11 R = BSGE 110, 8 = SozR 4-2600 § 194 Nr 1, RdNr 16 und 34 sowie LSG Mainz vom 8.12.2010 - L 6 R 244/10 = juris RdNr 27 ff).

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 17. Januar 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe einer Altersrente, konkret um die Rechtmäßigkeit der Korrektur einer Hochrechnung.

Der im Jahr 1953 geborene Kläger war zuletzt als Kraftfahrer bei dem Wasser- und Schifffahrtsamt H. beschäftigt. Er stellte mit Schreiben vom 3.2.2016 (Eingang bei der Beklagten am 8.2.2016) einen Antrag auf Bewilligung von Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Unter Ziffer 15 willigte er ein, dass die Beklagte „für den weiteren Zeitraum ggf. bis zum Rentenbeginn die entsprechenden voraussichtlichen beitragspflichtigen Einnahmen (maximal für 3 Monate) hochrechnet und diese der Rentenberechnung zu Grunde legt.“ Unter Ziffer 10.4.1 gab er an, seinen Arbeitgeber bereits über die Notwendigkeit der Abgabe einer gesonderten Meldung nach § 194 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI; in der Fassung vom 7.9.2007, in der Folge: alte Fassung aF) informiert zu haben.

Mit Datensatz vom 7.2.2016 übermittelte der Arbeitgeber an die Beklagte eine gesonderte Meldung, wonach der Kläger im Jahr 2015 ein Bruttoarbeitsentgelt von 50.568,00 EUR verdient habe. Mit Datensatz vom 16.2.2016 meldete der Arbeitgeber für den Zeitraum Januar 2016 ein Entgelt von 3.859,00 EUR.

Am 26.2.2016 erließ die Beklagte einen Bescheid, der dem Kläger Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 1.5.2016 in Höhe von 1.651,67 EUR brutto (1.474,12 EUR netto) bewilligte. An persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigte die Beklagte einen Wert von 56,5448. Der für die Monate Februar bis April 2016 hochgerechnete Entgeltbetrag wurde mit 12.553,25 EUR festgesetzt. Im Rahmen der Berechnung legte die Beklagte für den Zeitraum Februar bis Dezember 2015 ein Entgelt von 46.354,00 EUR und für den Monat Januar 2016 ein Entgelt von 3.859,00 EUR zugrunde.

Mit gesonderter Meldung vom 21.3.2016 teilte der Arbeitgeber ein geändertes Entgelt für Januar 2016 mit; dieses habe 3.896,00 EUR betragen, also 37,00 EUR mehr als in der Meldung vom 16.2.2026 angegeben. Darauf reagierte die Beklagte zunächst nicht. Mit einer weiteren Meldung vom 20.6.2016 bezifferte der Arbeitgeber sodann das tatsächlich erzielte Entgelt für den Zeitraum Februar bis April 2016 auf 11.993,00 EUR, also 560,25 EUR weniger als in der Hochrechnung im Bescheid vom 26.2.2016.

Mit Bescheid vom 24.6.2016 setzte die Beklagte die Höhe der Altersrente für besonders langjährig Versicherte neu fest, weil sich die rentenrechtlichen Zeiten geändert hätten. Die Rentenhöhe betrage ab dem 1.7.2016 nunmehr 1.712,35 EUR brutto (1.536,31 EUR netto). Die im Rentenbescheid vom 26.2.2016 vorgenommene Hochrechnung habe sich als fehlerhaft erwiesen, der Arbeitgeber habe nachträglich niedrigere Entgelte für 2016 gemeldet. Der Bescheid sei somit von Anfang an rechtswidrig gewesen, die Rücknahme erfolge für die Zukunft und gem. § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Bei der Rentenberechnung berücksichtigte die Beklagte nunmehr die tatsächlich erzielten Einkünfte im Zeitraum Januar bis April 2016 - ein Plus von 37,00 EUR im Januar und ein Minus von 560,25 EUR für den Zeitraum Februar bis April - und legte bei der Berechnung der Rentenhöhe insgesamt 56,5304 persönliche Entgeltpunkte zugrunde, mithin 0,0144 Rentenpunkte weniger als im Bescheid vom 26.2.2016.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 30.6.2016 (Eingang am 4.7.2016) Widerspruch. Die Änderung des Rentenbescheides vom 26.2.2016 sei rechtswidrig. Es müsse bei den im Rahmen der Hochrechnung angenommenen Beträgen und damit ...

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