Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Übergangsgeld. Höhe. Vergleichsberechnung. maßgebendes Arbeitsentgelt. Bezugstätigkeit. mehrere Behinderungen. Anlassbehinderung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Anwendung des § 48 S 2 SGB 9 hat nur diejenige Behinderung außer Betracht zu bleiben, die den konkreten Rehabilitationsanlass bildet.

 

Normenkette

SGB VI §§ 20-21, 45-48; SGB IX § 48 S. 2, § 45 Abs. 2

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.09.2017; Aktenzeichen B 13 R 20/14 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 29. Mai 2012 wird geändert.

Die Beklagte wird verpflichtet, das dem Kläger für die mit Bescheid vom 16. Mai 2011 bewilligte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zuerkannte Übergangsgeld unter Zugrundelegung eines kalendertäglichen Übergangsgeldbetrages von 23,40 € neu zu berechnen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 1/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung höheren Übergangsgeldes.

Der 1972 geborene Kläger ist verheiratet und hat 2 Kinder. Zunächst hatte der Kläger eine Ausbildung zum Backwarenteilfacharbeiter durchlaufen. Von 1995 bis 1997 wurde er mit Erfolg zum Fliesenleger umgeschult und war in der Folgezeit bis Oktober 2000 in diesem Beruf tätig. Im November erlitt er als nicht angeschnallter Beifahrer bei einem Verkehrsunfall ein Polytrauma mit multiplen Gesichtsschädelverletzungen, komplexen Beckenfrakturen, Femurschafttrümmer-, Schenkelhals- und Acetabulumfraktur rechts, Femurschaftfraktur links, offener Tibiatrümmerfraktur rechts, Schulterluxation rechts und schweren Weichteilverletzungen am rechten Ellenbogen. In der Folgezeit musste er sich diversen Operationen unterziehen.

Die Beklagte gewährte dem Kläger diverse Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation und diverse Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Von März bis Juni 2003 nahm der Kläger an einem Vorbereitungslehrgang zum Kaufmann für Bürokommunikation teil und von Juli 2003 bis Mai 2004 an einer berufspraktischen Weiterbildung des Bildungswerkes der NW. Das Übergangsgeld wurde unter Zugrundlegung der Tätigkeit als Fliesenleger berechnet (Bd I+II Bl 98,130). Der Kläger absolvierte dort eine berufliche Integrationsmaßnahme in Form mehrerer Praktika. Am 20. Mai 2004 erfolgte die Arbeitsaufnahme bei einem der Praktikumsbetriebe, der Firma I. GmbH & Co KG. Der Kläger hatte dort einen unbefristeten Arbeitsvertrag am 19./20. Mai 2004 (194 Bd. I und II) abgeschlossen. Er wurde dort als angestellter Sicherheitsmitarbeiter im Revierdienst bis zum August 2006 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Für die Zeit vom 22. Mai bis 21. August 2004 hatte die Beklagte einen Lohnkostenzuschuss bewilligt. Einen Antrag aus Januar 2004 auf eine Weiterbildung zum Haustechniker hatte sie abgelehnt. Nach einem Beratungsgespräch am 12. Juli 2006 (Bd II Bl 32) hatte die Beklagte vermerkt: „Kommt auf Dauer mit der Tätigkeit (Anmerkung des Senats: als Wachmann) nicht zurecht… .„ Für den Zeitraum vom 1. März bis 30. September 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger wiederum berufsfördernde Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines Praktikums und gewährte mit Bescheid vom 9. März 2007 Übergangsgeld in Höhe von kalendertäglich 49,23 € auf der Basis des Tarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Lande Niedersachsen Bd II Bl 89, 91). Die Bewilligung wurde dann aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Klägers mit Bescheid vom 1. Oktober 2007 (Bd. 2 Bl 188) aufgehoben. In der Zeit vom 1. August bis 10. Oktober 2008 war der Kläger als Wachmann bei der Firma J. versicherungspflichtig beschäftigt und als Parkaufsicht in einem Parkhaus eingesetzt. Im Mai 2009 wurde eine Hüftoperation durchgeführt. Im September 2009 beantragte der Kläger eine fünfmonatige Weiterbildungsmaßnahme mit Sachkundeprüfung als Schutz- und Sicherheitskraft, die die Beklagte mit Bescheid vom 11. September 2009 bewilligte, an der der Kläger aber aus familiären Gründen nicht teilnehmen konnte. Im Februar 2010/April 2010 wurden erneute Hüftoperationen beim Kläger durchgeführt. Für die Beklagte erstattete die Orthopädin K. am 28. September 2010 ein Gutachten, in dem diese u.a. eine Muskelschwäche im Gesäß und Oberschenkel rechts, eine Gonalgie und Bewegungseinschränkung am rechten Kniegelenk, ein Polytrauma sowie eine konsolidierte Oberschenkelschaft-Trümmerfraktur links beschrieb und ausführte, dass der Kläger in seiner letzten beruflichen Tätigkeit als Parkhauswache nicht mehr einsetzbar sei. Eine Verbesserung sei insoweit unwahrscheinlich. Auch langfristig werde jegliches schweres Heben und Tragen sowie häufiges Bücken nicht möglich sein. Außerdem seien Tätigkeiten mit längeren Wegstrecken und häufigem Treppensteigen ausgeschlossen. Leichte Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten überwiegend im Sitzen ...

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