Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsausbildungsbeihilfe. förderungsberechtigter Personenkreis. zeitweise auswärtige Unterbringung im Wohnheim während des Berufsschulunterrichts. Unerreichbarkeit der Berufsschule in angemessener Zeit. Orientierung an den Regelungen der Bundesausbildungsförderung

 

Orientierungssatz

1. Für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des Wohnens außerhalb des Haushaltes der Eltern oder eines Elternteils gem § 60 Abs 1 Nr 1 SGB 3 reicht es aus, wenn der Auszubildende zur Ausbildung nur zeitweise außerhalb des Haushaltes der Eltern in einem Wohnheim untergebracht ist (vgl BSG vom 29.8.2012 - B 11 AL 22/11 R = SozR 4-4300 § 64 Nr 4).

2. Unter der Ausbildungsstätte iS von § 60 Abs 1 Nr 2 SGB 3 ist auch die Berufsschule zu verstehen.

3. Bei der Beurteilung gem § 60 Abs 1 Nr 2 SGB 3, ob die Berufsschule in angemessener Zeit von der Wohnung der Eltern nicht erreicht werden kann, ist ein Rückgriff auf § 140 Abs 4 SGB 3 eher nicht angezeigt, sondern bietet sich eine Orientierung an den Regelungen des § 2 Abs 1a BAföG an.

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 30. März 2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 2. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2013 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 11. September 2013 bis zum 30. April 2014 für die Zeiten der auswärtigen Unterbringung während des Berufsschulunterrichts zu gewähren.

2. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für den Zeitraum vom 11. September 2013 bis zum 30. April 2014 für die Zeiten der auswärtigen Unterbringung während des Berufsschulunterrichts hat.

Die am ... Februar 1996 geborene Klägerin begann am 1. September 2013 eine Berufsausbildung zur Friseurin im „L. C.“ in D-Stadt. Zu dieser Zeit wohnte sie bei ihrer Mutter in D-Stadt, der Vater war ebenfalls in D-Stadt wohnhaft. Der Berufsschulunterricht fand donnerstags und freitags an einer Berufsschule in A-Stadt statt.

In ihrem Antrag vom 24. Mai 2013 auf Bewilligung von BAB ab dem 1. September 2013 gab die Klägerin an, dass ihr für die Fahrten zur Berufsschule ca. 200,00 € monatlich entstünden. Die Bruttoausbildungsvergütung betrage im ersten Ausbildungsjahr 158,50 € monatlich und im zweiten Ausbildungsjahr 214,74 € monatlich. Die Mutter der Klägerin bezog im Jahr 2011 Leistungen nach dem SGB II, der Vater hatte ein Bruttoarbeitseinkommen in Höhe von 15.175 €.

Den Antrag auf BAB lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. September 2013 ab, weil die persönlichen Voraussetzungen nach § 60 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) nicht erfüllt seien, da die Klägerin nicht außerhalb des elterlichen Haushaltes wohne.

Hiergegen erhob die Klägerin am 3. September 2013 Widerspruch und führte zur Begründung aus, sie sei auf die BAB angewiesen, da sie die zweimal wöchentlich anfallenden Fahrtkosten für den Besuch der Berufsschule in A-Stadt von ihrer Ausbildungsvergütung nicht bezahlen könne, so dass ihr der Abbruch der Ausbildung drohe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach § 60 Abs. 1 SGB III werde der Auszubildende bei einer Berufsausbildung nur gefördert, wenn er außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils wohne und die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus nicht in angemessener Zeit erreichen könne. Die Klägerin wohne während der Ausbildung weiterhin im Haushalt der Eltern in D-Stadt und könne die Ausbildungsstätte in D-Stadt in angemessener Zeit erreichen. Der Förderausschluss gelte auch, wenn für einzelne Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der üblichen Ausbildungsstätte zeitweise eine Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern erforderlich werde. Nach § 65 Abs. 2 SGB III sei eine Förderung allein für Zeiten des Berufsschulunterrichts in Blockform ausgeschlossen.

Unter dem 13. September 2013 reichte die Klägerin einen Mietvertrag vom 6. September 2013 über die Anmietung eines Einzelzimmers in A-Stadt, H.-J.-Str. 8 für die Zeit vom 11. September 2011 (gemeint: 2013) bis 31. August 2014 zu einem Mietzins von 75,00 € wöchentlich bei der Beklagten ein. Die Klägerin teilte hierzu mit, dass sie wegen der Zugverbindung nicht pünktlich zur Berufsschule komme, sodass sie sich eine Unterkunft in A-Stadt habe suchen müssen.

Mit ihrer am 14. Oktober 2013 vor dem Sozialgericht Neubrandenburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass die Anspruchsvoraussetzungen für eine Bewilligung von BAB gegeben seien, da sie für die Zeiten des Berufsschulunterrichts in A-Stadt auch dort untergebracht sein müsse. Sie könne die Berufsschule vom Wohnort ... aus nicht in angemessener Zeit, also am selben Tag mit dem Zug pünktlich erreich...

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