Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung bei Laktoseintoleranz

 

Orientierungssatz

1. Das SGB 2 schreibt in § 41 Abs. 1 S. 4 die abschnittsweise Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung vor. Deshalb hat eine insoweit ergangene Entscheidung keine Bindungswirkung für zukünftige Bewilligungsabschnitte.

2. Voraussetzung eines Anspruchs des Grundsicherungsberechtigten auf Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB 2 ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine besondere Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (BSG Urteil vom 14. 2. 2013, B 14 AS 48/12 R).

3. Eine Vollkostenernährung ist vom Regelbedarf gedeckt. Muss der Betroffene wegen einer bestehenden Laktoseintoleranz auf den Verkehr laktosehaltiger Lebensmittel verzichten, so entsteht allein dadurch kein erhöhter Kostenaufwand. Bei laktosefreier Ernährung drohen keine Mangelerscheinungen.

4. Die Mehrbedarfsempfehlungen sehen bei Laktoseintoleranz keine spezielle Diät vor.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten für die Zeit vom 1. September 2011 bis 31. August 2012 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung wegen einer Laktoseintoleranz.

Der 1966 geborene Kläger bezieht vom Beklagten seit Februar 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Am 16. Mai 2011 beantragte er beim Beklagten erstmals die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Dazu legte er ein ärztliches Schreiben der S.-Klinik vom 16. Mai 2011 vor, aus dem hervorgeht, dass bei ihm u.a. ein Laktase-Mangel besteht, der seit April 2011 eine Krankenkost erforderlich mache. Mit Bescheid vom 31. Mai 2011 lehnte der Beklagte die Gewährung des beantragten Mehrbedarfs ab, da beim Kläger ein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand nicht vorliege.

Im Weiterbewilligungsantrag vom 19. Juli 2011 für die Zeit ab 1. September 2011 gab der Kläger erneut an, einer kostenaufwändigen Ernährung zu bedürfen und fügte eine Bescheinigung des behandelnden Internisten Dr. M. (vom 21. Juli 2011) bei, der zufolge der Kläger unter Laktoseintoleranz leide und sich deshalb dauerhaft laktosefrei ernähren müsse.

Mit Bescheid vom 25. Juli 2011 lehnte der Antragsgegner den Antrag des Klägers aus dem Weiterbewilligungsantrag auf ernährungsbedingten Mehrbedarf mit der bereits zuvor gegebenen Begründung ab und wies den dagegen eingelegten Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 2.11.2011).

Bei den Leistungsbewilligungen für die Zeit vom 1. September 2011 bis 29. Februar 2012 - durch Bescheid vom 15. August 2011 und Änderungsbescheiden vom 1. September 2011, 26. November 2011 und 12. Dezember 2011 - sowie für die Zeit vom 1. März 2012 bis 31. August 2012 - durch Bescheid vom 12. Januar 2012 und Änderungsbescheiden vom 19. Januar 2012, 15. Mai 2012 und 3. August 2012 - berücksichtigte der Beklagte ebenfalls keinen Mehrbedarf für eine kostenaufwändigere Ernährung.

Die vom Kläger dagegen eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 20.11.2012 zurück (Gz. X171.1O-12302BG0118846-W-12302-11510/12 und Gz. X171.1O-12302BG0118846-W-12302-11511/12). Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass nach den Empfehlungen des D. zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (im Weiteren: Mehrbedarfsempfehlungen) ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nur dann bestehe, wenn wegen der Erkrankung zwingend eine besondere Ernährung einzuhalten und diese teurer sei als eine sogenannte Vollkost, d.h. als eine gesunde Mischkost, wie sie auch allen gesunden Menschen empfohlen werde. Für Personen mit Laktoseintoleranz werde aber gemeinhin lediglich Vollkost empfohlen. Zu diesem Ergebnis sei auch ein Gutachten des Gesundheitsamtes H. vom September 2011 gelangt.

Mit den am 21. Dezember 2012 erhobenen Klagen (S 29 AS 4009/12 und S 29 AS 4010/12), vom Sozialgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat ergänzend vorgetragen, unter ausgeprägten Bauchschmerzen, Blähungen und einem kopfschmerzverursachenden Wechsel von Durchfall und Verstopfungen zu leiden, sobald er laktosehaltige Lebensmittel verzehre. Zum Nachweis seines ernährungsbedingten Mehraufwandes hat der Kläger ein Ernährungstagebuch für eine Woche und eine Auflistung der Ausgaben für laktosefreie Lebensmittel für vier Wochen vorgelegt. Danach hat der Kläger in diesem Zeitraum 121,91 Euro für laktosefreie Lebensmittel ausgegeben, u.a. für täglich einen guten halben Liter Milch, knapp 400g Joghurt sowie verschiedene Käse, Mascarpone, Quark und Butter.

Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte eingeholt, darunter ei...

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