Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherung. automatische Beendigung des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses mit Erreichen der Altersgrenze (65. Lebensjahr). Altersdiskriminierung. unklare Rechtslage. Vergleich. Abfindung. Beitragspflicht

 

Orientierungssatz

Zur beitragsrechtlichen Behandlung einer Abfindung, die aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs zur einvernehmlichen Beendigung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses mit Erreichen der Altersgrenze ( 65. Lebensjahr) an einen ehemaligen Arbeitnehmer gezahlt wurde.

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin für die an einen ehemaligen Arbeitnehmer gezahlte Abfindung Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten hat.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Betrieb mehrerer Einzelhandelsgeschäfte im Modebereich ist. Sie beschäftigte unter anderem den am 14. April 1944 geborenen und mittlerweile verstorbenen Arbeitnehmer D. (D.). Sie teilte diesem unter dem 16. Februar 2009 mit, dass sein Arbeitsverhältnis am 30. April 2009 ende. Grund hierfür sei, dass sein Arbeitsvertrag vom 16. November 1976 auf den jeweils geltenden Manteltarifvertrag, der zwischen dem Gesamtverband des Hamburger Einzelhandels und den Gewerkschaften abgeschlossen worden sei, Bezug nehme. Danach ende das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in welchem das 65. Lebensjahr vollendet werde. Der Arbeitnehmer D. widersprach diesem Schreiben und vertrat unter anderem die Auffassung, dass die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sei und auch europarechtlichen Vorgaben widerspreche. Die Klägerin erhob daraufhin beim Arbeitsgericht Hamburg eine Klage auf Feststellung, dass das mit dem Arbeitnehmer D. bestehende Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. April 2009 wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ende (Az. 28 Ca 109/09). Der Rechtsstreit wurde im Gütetermin des Arbeitsgerichts am 24. April 2009 durch einen Vergleich mit folgendem Inhalt beendet:

„1. Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der vertraglichen und tarifvertraglichen Regelung mit Vollendung des 65. Lebensjahres des Beklagten am 30. April 2009 endet.

2. Die Parteien sind sich weiter darüber einig, dass ab dem 1. Mai 2009 ein neues Arbeitsverhältnis unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit auf 400 € Basis (Minijob) begründet wird. Dieses Arbeitsverhältnis ist befristet bis zum 30. April 2010.

3. Die Klägerin verpflichtet sich, an den Beklagten für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG in Höhe von € 10.000,00 netto zu zahlen. Die Abfindung ist fällig zum 30. April 2009.

4. Damit ist dieser Rechtsstreit erledigt.“

In Ausführung dieses Vergleichs schloss die Klägerin mit dem Arbeitnehmer D. unter dem 29. April 2009 einen Arbeitsvertrag als Aushilfe in der Logistikabteilung für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis 30. April 2010 mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 8 Stunden (aufgeteilt auf zwei Tage) und einem Arbeitsentgelt von 400 € monatlich.

Die Beklagte führte am 12. Februar 2013 eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 durch. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2013 hörte sie die Klägerin zu einer beabsichtigten Beitragsnachforderung in Höhe von insgesamt 5.371,36 EUR an. Hiervon entfiel ein Betrag von 3.089,93 EUR auf die hier allein (noch) streitige Beitragserhebung auf die dem Arbeitnehmer D. gezahlte Abfindung. Die Beklagte führte hierzu aus, dass als Abfindungen deklarierte Zahlungen, die bei fortbestehendem Beschäftigungsverhältnis geleistet würden, nicht beitragsfrei seien, sondern in vollem Umfang sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt darstellten. Entscheidend hierfür sei, dass das Beschäftigungsverhältnis in seiner Substanz weiterbestehe, was vorliegend der Fall sei, da dem Arbeitnehmer anlässlich der Umwandlung des Beschäftigungsverhältnisses von einer sozialversicherungspflichtigen in eine geringfügige Beschäftigung eine Abfindung gewährt worden sei. Die Anhörung enthielt außerdem Ausführungen in Bezug auf Nachforderungen für Überstundenabgeltungen und weitere Beitragsdifferenzen bei anderen Arbeitnehmern.

Die Klägerin erwiderte hierauf, dass die Abfindung nach ihrer Auffassung keine sozialversicherungspflichtige Zahlung sei. Es sei damals streitig und noch nicht höchstrichterlich entschieden gewesen, ob die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 65. Lebensjahres eine Altersdiskriminierung darstelle. Mit dem gerichtlichen Vergleich sei das Arbeitsverhältnis einvernehmlich gegen Zahlung einer Abfindung beendet worden. Die Abfindung sei daher kein Arbeitsentgelt, weder für vergangene Zeiten noch für ein neue...

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