Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung einer Erkrankung der Sehnenscheide oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- und Muskelansätze als Berufskrankheit nach Nr. 2101 BKV

 

Orientierungssatz

1. Die Berufskrankheit Nr. 2101 der Anlage zur BKV erfasst Erkrankungen der Sehnenscheide oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- und Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, welche für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Erkrankungen der Sehne selbst oder der Muskeln werden nicht erfasst. Ist Ursache einer Rotatorenmanschettenruptur eine Erkrankung der Sehne selbst, ist also die Sehne betroffen und sind es nicht die Sehnenansätze, so ist in einem solchen Fall die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV ausgeschlossen.

2. Eine Krankheit kann nach § 9 Abs. 2 SGB 7 wie eine Berufskrankheit entschädigt werden, sofern nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft  die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 S. 2 SGB 7 erfüllt sind. Derartige neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse, die bereits zu einer herrschenden Meinung im einschlägigen medizinischen Fachbereich geführt hätten, liegen für die Rotatorenmanschettenruptur nicht vor. Das Bestehen neuer Erkenntnisse zur Erkrankung an einer Rotatorenmanschettenruptur bei Gipsern und Verputzern kann bisher nicht festgestellt werden.

3. Im Hinblick auf erst vereinzelt vorliegende epidemologische Erkenntnisse über die generelle Eignung von Überkopfarbeiten für die Verursachung einer Rotatorenmanschettenruptur ist eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit nicht möglich.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen im Bereich der Schulter als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2101 (Erkrankungen der Sehnenscheide oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- und Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen bzw. nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) wie eine Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen sind.

Der 1961 geborene Kläger war von 1980 bis 2004 als Verputzer tätig und hat in dieser Tätigkeit schwere Lasten von mehr als 50 kg auf der Schulter bewegt sowie beim Abziehen und Glätten von Wänden und Decken Putzmaterial mit hohem Kraftaufwand und Lastgewicht auch über Kopf bewegt. Spätestens seit 2005 leidet der Kläger unter den Folgen einer Rotatorenmanschettenruptur links mit Impingementsymptomatik bei Bursitis subacromialis und deltoidea.

Am 22. Juni 2005 erfolgte eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit durch die behandelnde Allgemeinärztin des Klägers, Dr. M ... Die Beklagte führte daraufhin medizinische und arbeitstechnische Ermittlungen durch und holte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Prof.   Dr. H. ein, der ausführte, ein Zusammenhang der erlittenen Rotatorenmanschettenruptur mit der angeschuldigten Tätigkeit sei nicht auszuschließen, jedoch gebe es keine neuen Erkenntnisse zur Rotatorenmanschettenruptur. Die BK 2101 erfasse diesen Sachverhalt nicht, da der Sehnenansatz nicht betroffen sei.

Mit Bescheid vom 24. November 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit und einer Wie-Berufskrankheit ab. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2006).

Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Hamburg zunächst auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Orthopäden Dr. S. als medizinischen Sachverständigen gehört. Dr. S. hat sein Gutachten unter Mithilfe von Prof.   Dr. N. erstellt und am 12. Oktober 2008 mit diesem gemeinsam ausgeführt, bei dem Kläger bestehe unstreitig eine Rotatorenmanschettenruptur in Form einer Supraspinatussehnen-Ruptur an beiden Schultergelenken. Hierbei handele es sich um eine Erkrankung der passiven Überträger der Muskelkraft und ihrer Gleitgewebe und damit um eine Erkrankung im Sinne der BK 2101. Die Supraspinatussehne setze kurz unterhalb des Oberarmkopfes an und ziehe sich über den Oberarmkopf und unter dem Schulterdach her. Der Schleimbeutel schütze die Sehne und die Rotatorenmanschette, insofern sei die Supraspinatussehne eine typische Sehne mit Sehnengleitgewebe. Allerdings umgebe das Gleitgewebe die Sehne nicht wie eine Sehnenscheide, sondern liege auf der Sehne und schütze sie gegen den knöchernen Druck des darüber liegenden Schulterdaches. Für Überkopfarbeiten müsse der Oberarm seitwärts bewegt werden. Durch diese Seitwärtsbewegung verenge sich der Durchgang zwischen Oberarmkopf und Schulterdach. Es entstehe also eine Druckbelastung für die Bursa und die...

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