Entscheidungsstichwort (Thema)

Eintritt einer Sperrzeit bei Entziehung der Fahrerlaubnis eines Berufskraftfahrers

 

Orientierungssatz

1. Ein Berufskraftfahrer kann die von ihm geschuldete Arbeit nur verrichten, wenn er im Besitz seiner Fahrerlaubnis bleibt. Eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, jegliche Verkehrsverstöße zu unterlassen, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen können, ist infolgedessen zulässig. Ist im Arbeitsvertrag vereinbart, dass der Entzug der Fahrerlaubnis den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt, so ist die fristlose Kündigung des Arbeitnehmers arbeitsrechtlich sozial gerechtfertigt, wenn seitens des Arbeitgebers keine Möglichkeit besteht, den als Fahrer nicht mehr einsetzbaren Arbeitnehmer anderweit zu beschäftigen.

2. Der in § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 3 formulierte Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit, welcher zum Eintritt der Sperrzeit führt, bezieht sich nur auf die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit und nicht auf das arbeitsvertragswidrige Verhalten selbst. Ist der Betroffene durch die Mitteilung seines Punktestandes durch das Kraftfahrbundesamt Flensburg dahingehend vorgewarnt, dass ein weiterer Verkehrsverstoß wegen Überschreitens der Höchstpunktzahl zur Entziehung der Fahrerlaubnis führt, so hat er sich im Straßenverkehr so zu verhalten, dass die offenkundig drohende Entziehung der Fahrerlaubnis in jedem Fall vermieden wird. Eine nach dem Arbeitsvertrag verursachte Kündigung mit nachfolgender Arbeitslosigkeit ist infolgedessen grob fahrlässig herbeigeführt. Dies hat den Eintritt einer Regelsperrzeit zur Folge.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 23. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld wegen Eintritts einer 12-wöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 6. November 2004 bis 28. Januar 2005 ruhte, die Anspruchsdauer der Leistung um 151 Tage zu mindern und die Kranken- und Pflegeversicherung auf die Zeit vom 6. Dezember 2004 bis 28. Januar 2005 zu beschränken war.

Der 1955 geborene Kläger ist Berufskraftfahrer. Er war in diesem Beruf mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit und Krankheit bei verschiedenen Arbeitgebern versicherungspflichtig beschäftigt; zuletzt vom 1. März 2004 bis 8. November 2004 bei der Firma K., Inhaberin L. S. in H ... In § 20 des Arbeitsvertrages vom 20. Februar 2004 war u.a. vereinbart, dass dem als Kraftfahrer tätigen Arbeitnehmer fristlos gekündigt werden könne, wenn er durch behördliche oder gerichtliche Anordnung einstweilen oder endgültig die Fahrerlaubnis verliere oder durch Tätigkeiten während der Fahrt Fahrzeug und Ladung sowie andere Verkehrsteilnehmer fahrlässig gefährde; im Übrigen bleibe § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unberührt. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch fristlose Kündigung der Arbeitgeberin am 8. November 2004, nachdem der Kläger am 2. Juni 2004 in B. eine rote Ampel überfahren hatte, ihm daraufhin wegen Überschreitung der Höchstpunktzahl im Verkehrszentralregister mit Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde vom 2. November 2004 die Fahrerlaubnis entzogen worden war und der Kläger die Arbeitgeberin am 5. November 2004 hiervon in Kenntnis gesetzt hatte. Der Entziehung der Fahrerlaubnis waren zahlreiche Verkehrsverstöße des Klägers vorausgegangen; wegen der Einzelheiten wird insoweit zunächst auf das Schreiben der für den Kläger zuständigen Fahrerlaubnisbehörde (Landesbetrieb Verkehr, Führerscheinstelle Hamburg -M.) vom 29. März 2011 und die diesem Schreiben beigefügten Anlagen Bezug genommen.

Am 9. November 2004 meldete sich der Kläger persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 23. November 2004 verfügte die Beklagte, dass der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld wegen Eintritts einer 12-wöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 6. November 2004 bis 28. Januar 2005 ruhe, die Anspruchsdauer der Leistung um 151 Tage zu mindern und die Kranken- und Pflegeversicherung auf die Zeit vom 6. Dezember 2004 bis 28. Januar 2005 zu beschränken sei. Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, die Kündigung sei nicht erforderlich gewesen, da bei der Arbeitgeberin anderweitige Einsatzmöglichkeiten bestanden hätten. Nachdem die Firma K. mit Schreiben vom 18. Mai 2005 mitgeteilt hatte, dass sie den Kläger nur als Fahrer einsetzen könne und keine Möglichkeit eines anderen Einsatzes bestehe, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2005 zurück.

Der Kläger hat am 18. August 2005 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass im vorliegenden Fall keine verhaltens-, sondern eine personenbedingte Kündigung vorliege, die eine Sperrzeit nicht auszulösen geeignet sei. Selbst bei einer verhaltensbedingten Kündigung komme keine Sperrzeit in Betracht, weil die letzte Eintragung im Verkehrszentralregister, die allein zur Entzieh...

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