Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung der vom ehemaligen Arbeitgeber wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes geleisteten Abfindungszahlungen bei der Beitragsbemessung eines freiwilligen Mitglieds der Krankenversicherung

 

Orientierungssatz

1. Der Krankenversicherungsbeitrag eines freiwilligen Mitglieds der Krankenversicherung hat nach § 240 SGB 5 dessen gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.

2. Zu den beitragspflichtigen Einnahmen zählen u. a. die vom ehemaligen Arbeitgeber wegen des Arbeitsplatzverlustes gewährten Abfindungszahlungen, weil sie zum Lebensunterhalt verbraucht werden können.

3. Gezahlte Abfindungen sind in voller Höhe der Beitragsbemessung zu unterwerfen. Die Vorschrift des § 240 Abs. 1 S. 2 SGB 5 lässt eine Begrenzung auf einen fiktiven Arbeitsentgeltanteil nicht zu.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt für den Zeitraum November 2006 bis Mai 2009, dass seine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ohne Berücksichtigung der von seinem ehemaligen Arbeitgeber gezahlten Abfindung bemessen werden.

Der am 18. Mai 1947 geborene Kläger ist als freiwilliges Mitglied bei der Beklagten zu 1 gegen Krankheit und bei der Beklagten zu 2 in der sozialen Pflegeversicherung versichert. Er war als Vorstand der inzwischen insolventen AG tätig. Am 19. November 2001 wurde er seines Amtes enthoben, am 18. Februar 2002 wurde sein Anstellungsverhältnis fristlos gekündigt. Im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung über die Wirksamkeit beider Maßnahmen schloss er mit dem Rechtsnachfolger seines ehemaligen Arbeitgebers einen Aufhebungsvertrag. Danach wurde das Anstellungsverhältnis einvernehmlich mit Wirkung zum 31. Mai 2000 beendet, der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von insgesamt 3.246.703,40 EUR. Die Abfindung wurde in Form einer Einmalzahlung in Höhe von 2.083.514,42 EUR, einer Übertragung von Aktien im damaligen Wert von 559.638,77 EUR sowie von jährlichen Zahlungen in Höhe von jeweils 61.355,03 EUR über einen Zehnjahreszeitraum, beginnend mit dem 1. Dezember 2003 geleistet (vgl. § 2 des Aufhebungsvertrags).

Der Kläger, dessen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bis zur Kündigung des Anstellungsverhältnisses auf Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt worden waren, beantragte am 27. März 2002 die Festsetzung einkommensabhängiger Beiträge. Er gab monatlich Einnahmen aus Grundbesitz, Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.281 EUR sowie Zinseinnahmen in Höhe von 213 EUR an. Auf dieser Grundlage wurden die Beiträge bis zum 30. Oktober 2006 festgesetzt.

Der Kläger hatte zwischenzeitlich seine Einkommenssteuerbescheide für 2002 und 2003 vorgelegt, die bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 93.531,- EUR bzw. 61.355,- EUR auswiesen, ohne dass dies zu einer Änderung der Beitragsfestsetzung geführt hatte. Am 25. Oktober 2006 legte er den Einkommensteuerbescheid für 2004 vor, der wiederum einen Bruttoarbeitslohn von 61.355 EUR auswies. Daraufhin setzte die Beklagte zu 1 ohne Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 17. Januar 2007 die monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. November 2006 auf insgesamt 534,37 EUR und ab dem 1. Januar 2007 auf insgesamt 555,75 EUR fest. Sie ging dabei von Gesamtbezügen oberhalb der maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze aus. Der Bescheid erging ausdrücklich auch im Namen der Beklagten zu 2.

Mit seinem Widerspruch brachte der Kläger vor, bei dem im Steuerbescheid ausgewiesenen Bruttoarbeitslohn handele es sich um den jährlich bezogenen Teil der Abfindung, der kein Arbeitslohn aus einem laufenden Arbeitsverhältnis sei. Die Abfindung sei auch sonst nicht als beitragspflichtige Einnahme zu behandeln. Sie entschädige ihn dafür, dass er seine bisherige Beschäftigung nicht fortsetzen und mithin kein Arbeitsentgelt aus ihr habe erzielen können. Ebenso wenig wie bei einem Pflichtmitglied könne bei ihm eine reine Entschädigungsleistung zur Beitragsbemessung herangezogen werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2008 wies die Beklagte zu 1 den Widerspruch zurück. Die Abfindung sei bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen, denn der Kläger könne sie für seinen Lebensunterhalt verwenden. Bei einem freiwillig Versicherten wie dem Kläger sei die Abfindung auch dann zu berücksichtigen, wenn sie ihn für den Verlust des Arbeitsplatzes entschädigt habe. Von einer Beitragsnachforderung für die Zeit vor dem 1. November 2006 sahen die Beklagten letztlich ab.

Am 28. November 2008 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Abgesehen von der jährlichen Abfindungszahlung hat er bis einschließlich Mai 2009 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit und aus Kapitalvermögen erzielt, die summiert unter der jeweils maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze gelegen haben. Die Beklagten haben die von ihm geschuldeten Beiträge weiterhin aufgrund der jeweiligen B...

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